Libretto.docx

(23 KB) Pobierz

Wolfgang Amadeus Mozart

Die Schuldigkeit des ersten Gebots

Libretto: Ignaz Anton von Weiser

Personen: 
GERECHTIGKEIT 
BARMHERZIGKEIT 
CHRISTGEIST 
WELTGEIST 
CHRIST (= Mensch)


Sinfonia 

Der Ort der Vorstellung ist eine anmutige Gegend an einem Garten und kleinen Wald. Der laue Christ in einem Blumengesträuche schlafend 

Rezitativ 

GERECHTIGKEIT 
Die löblich' und gerechte Bitte, 
die du dem Heil der Sterblichen zu gut 
mitleidend mir hast vorgebracht, 
ist mir zwar angenehm, doch bin ich nicht bedacht, 
den faulen Knechten zu verschonen: 
du weisst, mein ist, die Frommen zu belohnen 
und jene abzustrafen, 
wenn sie durch Büssen und Bereuen 
sich nicht der Schuld befreien; 
und dies geschieht durch unverdiente Gnade, 
die nur des Höchsten Güte allein gewähren kann, 
so wie es ihr gefällt. 

CHRISTGEIST 
Wohlan! so sei mein wiederholtes Flehen 
auf gleiche Weis' an dich gestellt, 
o göttliches Erbarmen! 

BARMHERZIGKEIT 
Was je erwartest du? 

CHRISTGEIST 
Ach! Alles von deiner Huld 
und deinen Helferarmen. 

BARMHERZIGKEIT 
Und was bekümmert dich so sehr? 

CHRISTGEIST 
Ach, der bedauernswerte Stand, 
die Blindheit, die Gefahr 
der lauen Menschensöhne, 
die kleine Zahl, die sich bemüht, zu gehn 
den schmalen Weg zum wahren Vaterland; 
die Menge, die zum öffnen Hollenschlund 
mit dem betörten Haufen 
auf breiter Blurnenstrasse laufen. 
Der schlaue Geist der Welt, 
der unter Blendewerk verhüllt 
die Sünden und Gefahren, 
entführet ganze Scharen. 

Nr. 1 - Arie 

CHRISTGEIST 
Mit Jammer muss ich schauen 
unzählig teure Seelen 
in meines Feindes Klauen 
den Untergang erwählen, 
wenn deine Wunderkraft 
nicht Heil, nicht Rettung schafft. 

Ihr zügelfreier Sinn, 
gleich ausgebrochnen Flüssen, 
die schäumend sich ergiessen, 
reisst nach den tausend hin. 

Mit Jammer muss ich schauen usw. 

Rezitativ 

BARMHERZIGKEIT 
So vieler Seelen Fall ist zwar mit allem Fug 
beweinungswürdig anzusehn, 
doch ist es selbst ihr Will', 
dass sie zu Grunde gehn. 
Das erste, grösste, ja das wichtigste Gebot: 
aus ganzer Seel', aus Herz und Kräften 
zu lieben ihren Herrn und Gott, 
scheint ihrem trägen Sinn 
gleich einer Last zu sein, 

GERECHTIGKEIT 
Flösst ihnen der Verstand, 
ja endlich die Natur 
nicht diese Pflicht als Kindern ein, 
weil er als Vater sie aus Nichts gebildet hat, 
weil er sie schützet, liebet, 
nähret und ewiglich belohriet? 

BARMHERZIGKEIT 
Ist er denn nicht das einzig wahre Gut, 
mithin auch höchster Liebe wert? 

GERECHTIGKEIT 
Pracht, Wollust, Eigennutz 
und eitler Ehre Schein 
sind die gemeinen Götzen, 
die sie dem Schöpfer gleich, 
ja höher schätzen. 

BARMHERZIGKEIT 
Derselben Ausspruch 
gilt viel mehr als Gottes Wort. 

GERECHTIGKEIT 
Sie wenden nur nach deren falschen Schimmer 
die blöden Augenlichter, 
und schauen doch sich selber nicht, 
noch Himmel, Hölle, Tod und Richter. 

BARMHERZIGKEIT 
Sie lieben die Unwissenheit 
der Lehre ihres Heils 
und ihrer Schuldigkeit. 

GERECHTIGKEIT 
Wenn sie auf solche Weise 
noch Beispiel der Belohnten, 
noch der Bestraften wollen sehen, 

BARMHERZIGKEIT 
wenn sie mein Rufen, mein Ermahnen 
nicht wollen hören, noch verstehen, 

GERECHTIGKEIT 
so kann Gerechtigkeit 
sie nicht der Schuld entbinden, 

BARMHERZIGKEIT 
so kann Barmherzigkeit 
für sie kein Mitleid finden. 

Nr. 2 - Arie 

BARMHERZIGKEIT 
Ein ergrimmter Löwe brüllet, 
der den Wald mit Forcht erfüllet, 
rings herum nach Raube sieht. 

Doch der Jäger will noch schlafen, 
leget hin die Wehr, die Waffen, 
achtet Schutz und Helfer nicht. 

Ein ergrimmter Löwe brüllet, usw. 

Rezitativ 

BARMHERZIGKEIT 
Was glaubst du, 
wird man wohl mit vielem Trauern 
desselben schnöden Tod bedauern? 

GERECHTIGKEIT 
Anstatt ihn zu beklagen, 
wird man von ihm ja billig sagen, 
sein Eigensinn sei Schuld daran? 

CHRISTGEIST 
Dass sie zu sorgenlos 
und wie betäubet sind, 
ist leider allzu wahr. 
Doch ist denn keine Art 
von Mitteln zu ergründen? 
Es würde des Verstandes Licht 
vielleicht sich bald 
in seiner Helle finden, 
und der verkehrte Will' 
sich bald ergeben, 
wenn ihnen sichtbar sollte 
vor ihren Augen schweben 
das Pein- und Schreckenbild 
des offnen Höllengrund, 
wenn aus so vieler Tausend Mund 
das grässliche Geheul erschallte, 
wenn ein Verdammter sich 
aus seinem Grab erhebte, 
sie durch sein' unbeglückten Fall 
des grossen Hauptgebot gemessne Schuldigkeit, 
den Eifer, die Beflissenheit, 
die Wissenschaft des Heils zu lehren. 

BARMHERZIGKEIT 
Sie können dich, 
dein Beispiel und deine Wort' 
durch ihrer Lehrer Stimme 
genug beschauen, kennen, hören. 

CHRISTGEIST 
Ach, wenigest, lass ein förchtliches Ermahnen 
in ihre lauen Herzen gehen. 

BARMHERZIGKEIT 
Wohlan, es soll nach deinem Wunsch geschehen. 

GERECHTIGKEIT 
Gerechtigkeit will dich hierin gewähren, 
doch muss der Menschen Will' 
mit mir beflissen sein, 
der Auserwählten Zahl zu mehren. 
Denn dass ich ihren Willen zwinge, 
das kannst du nicht von mir begehren: 
es bleibet ihnen freigestellt, 
zu folgen meinem Ruf, 
zu fliehen jenen Weg, 
der führt zum weiten Höllenrachen. 
Sieh', hier will ich dir Probe machen 
an diesem Sterblichen, 
den falsche Sicherheit 
in tiefen Schlaf versenket hat. 

CHRISTGEIST 
O, dass doch jeden trägen Geist 
dein heilsames Erschrecken 
aus seinem Schlummer möcht' erwecken! 

Nr. 3 - Arie 

GERECHTIGKEIT 
Erwache, fauler Knecht, 
der du den edlen Preis 
so vieler Zeit verloren, 
und doch zu Müh' und Fleiss, 
zur Arbeit bist geboren. 
Erwache, fauler Knecht, 
erwarte strenges Recht. 

Es rufet Höll und Tod: 
Du wirst von deinem Leben 
genaue Rechnung geben 
dem Richter, deinem Gott! 

Erwache, fauler Knecht, usw. 

Rezitativ 

CHRISTGEIST 
Er reget sich. 

BARMHERZIGKEIT 
Er scheinet zu erwachen. 

GERECHTIGKEIT 
Nun kannst du hier verborgen sehn, 
ob meine Wort' erwünschte Würkung machen. 

Barrnherzigkeit und Gerechtigkeit begeben sich auf den Wolken von hinnen. 

CHRISTGEIST 
Ich will das Beste hoffen. 
Er verbirgt sich. 

Rezitativ 

CHRIST 
Wie, wer erwecket mich? 
Ich sehe niemand hier. 
War dieses Blendewerk? 
die Wahrheit oder Scherz? 
Tod, Hölle, Rechenschaft, 
ihr Sinne, saget mir ... 

WELTGEIST 
Was Rechenschaft? was Tod? was Hölle? 
was sollen diese Grillen sein? 

CHRIST 
Freund! wie erwünschlich triffst du ein! 

CHRISTGEIST 
Nun hört er meinen Feind, o Ungelücke! 

CHRIST 
Ach Trost, ach Rat in meiner Seelennot! 

WELTGEIST 
Was ist geschehn? 

CHRIST 
Ein ungewohnter Ruf, 
der meinen Schlaf gestört 
und Höllenstrafe droht, 
hat mich so gar erschreckt, 
dass ich vor banger Forcht ... 

WELTGEIST 
Ich hab'genug verstanden: 
Ist dies nicht ein Betrug 
von unsrer beiden Feind, 
so war es nur ein eitler Traum, 
ein Irrwisch, der erlöscht, 
kaum da er uns erscheint: 
ein buntes Nichts, ein Schattenwerk. 
Darum beruhe dich, 
leg' alle Sorge hin. 

CHRIST 
Es klingen aber noch in meinem Sinn die Wort': 
Erwache, fauler Knecht! 
du wirst von deinem Leben 
genaue Rechnung geben. 

WELTGEIST 
Ich weiss nicht, was ich nun von dir gedenken soll. 
Verlässt dich deine Witz? 
Bist du denn ausser dir? 
Gewiss, du bist Verwirrung voll. 
Ein Traum, ein' elende Geburt 
des wallenden Geblüte 
erschröcket dich, betöret dein Gemüte. 
Ein Glückes Sohn wie du, 
der sonst so wohl belebt, 
bisher von klugen Geist, 
von Umgang edel war, 
von jedermann geehrt, 
verlieret sich sogar, 
dass er, ich weiss nicht was, 
auf Träumebilder hält. 
Hätt' ich so manchen Träumen 
geringsten Glauben zugestellt, 
so hätt' ich mir vor Angst und Sorgen 
schon längst das Leben müssen rauben; 
du wirst nun besser mir 
...

Zgłoś jeśli naruszono regulamin