Blaulicht 269 - Wittgen, Tom - Maria.pdf

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Blaulicht 269
Tom Wittgen
Maria
Kriminalerzählung
Verlag Das Neue Berlin
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Die Kriminalerzählung »Maria« wurde dem Erzählungsband »Schatten in Grün« von
Tom Wittgen entnommen. © Das Neue Berlin, Berlin 1985
1 Auflage
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1988
Lizenz Nr.: 409 160/207/88 LSV 7004
Umschlagentwurf: Erhard Grüttner
Printed in the German Democratic Republic
Gesamtherstellung (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin
622 807 8
00025
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Der Märzhimmel war wolkenverhangen, und gegen Abend roch
es wieder nach Schnee. In der Satellitenstadt flammten
Peitschenlaternen auf. Rechts und links der Straße erhellten
Fenster die hintereinander- und querstehenden Häuserfronten,
von denen niemand genau weiß, zu welchem Straßenzug sie
gehören. Der Volksmund bezeichnet diese Gegend als
Betonkastenviertel. Ein Dutzend Bäume und eine Menge
Gestrüpp werden der kleine Park genannt. Er trennt die
Satellitenstadt vom Zementwerk und der Altstadt von H. und
schluckt eine Menge schweren, grauen Zementstaub.
Erich Ostermann rollte mit seinem LKW auf der F 80
stadtwärts und bremste im selben Augenblick, in dem das
Mädchen aus dem kleinen Park auf die Straße rannte.
Den Kopf durchs Wagenfenster geschoben, schrie er auf das
junge Mädchen ein, das hingefallen, aber schon wieder dabei
war, sich aufzurappeln. Ostermann mußte sich erst einmal
seinen Schreck aus dem Leibe brüllen, ehe er aussteigen und ihr
auf die Beine helfen konnte. Sie schien unverletzt, aber so
verstört zu sein, daß sie nicht wahrnahm, was um sie her
vorging. Ostermann hatte sich wieder in der Gewalt. Er sprach
jetzt ruhig und väterlich zu ihr. Ob sie vielleicht vor jemandem
ausgerissen sei oder absichtlich in seinen Wagen laufen wollte,
fragte er, und was denn der Grund für das eine oder das andere
wäre.
Ihr starrer Blick paßte nicht zu dem jugendfrischen Gesicht,
das sie Ostermann langsam entgegenhob.
»Ein Überfall…«
Er packte sie am Arm.
»Kommen Sie, ich fahre zum Krankenhaus und rufe die
Polizei an.«
Sie stemmte sich gegen ihn. »Nein, nicht ich«, sagte sie
schwunglos. »Im kleinen Park. Ein Mann. Er liegt im Gebüsch.«
Ostermann hielt sie mit beiden Händen an den Schultern.
»Nicht schlappmachen, junges Fräulein! Sie müssen mir den Weg
zeigen!«
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Später, im Polizeiwagen, sagte er zu mir: »Vielleicht hätte ich
gleich losfahren sollen, aber ich war nicht sicher, ob sie die
Wahrheit sagt. Die hat was an sich…« Er suchte nach Worten.
»Man kommt auf die Idee, sie spinnt einem was vor. Hoffentlich
ist sie überhaupt noch da. Versprochen hat sie’s.«
Ich fragte, ob er ihren Namen wisse.
»Den Vornamen nur. Maria.«
Am kleinen Park angekommen, ließ unser Fahrer den Wagen
im Schrittempo durch den Hauptweg rollen.
»Halt!« rief Ostermann.
Ich sprang hinaus. Der Fotograf hielt sich an meiner Seite.
Hinter uns bremste ein zweites Auto. Polizeiarzt und
Kriminaltechniker holten uns ein. Ostermann bog Gestrüpp
auseinander. Auf der Erde lag ein dunkles Bündel. Unsere
Techniker hexten Licht herbei, der Fotograf schoß Bilder.
Während sich der Arzt mit dem stillen Mann auf dem Erdboden
befaßte, sah ich mich nach Maria um. Ein paar Meter entfernt,
mit dem Rücken an einen Baum gelehnt, saß ein graziles
Persönchen.
»Nichts zu machen«, sagte der Arzt. »Der Schlag auf den
Hinterkopf war tödlich.«
»Schlag, womit?«
Reine Gewohnheitsfrage. Mehr als »stumpfer Gegenstand«
erfährt man selten auf Anhieb. Der Arzt aber erwiderte: »Er ist
mit einer Flasche erschlagen worden. Es riecht nach Wodka.
Und da sind auch Splitter.«
»Wie angenehm zu wissen, wonach man sucht«, sagte der
leitende Krimmaltechniker zu seinen Leuten. »Und wie eine
Wodkaflasche aussieht, habt ihr doch in Erinnerung?«
»Wenn er die mal nicht mitgenommen hat«, entgegnete einer.
Ich ging zu dem Mädchen. Sie saß mit angezogenen Beinen
wie jemand, der ein bißchen vor sich hin döst.
»Maria?«
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