Will Berthold - Lebensborn e.V.pdf

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WILL BERTHOLD
LEBENSBORN E.V.
Tatsachen-Roman
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Der sensationelle, vieldiskutierte Tatsachen-Roman über Hitlers
»Arische Zuchtstätten«.
Die Geschichte des Lebensborns, »jenes Vereins«, mit dem der
Nationalsozialismus die nordische Rasse »aufforsten« wollte, ist
kaum faßbare Wahrheit. In diesem Roman, den Will Berthold nach
authentischem Material schrieb, wird eines der makabersten
Verbrechen enthüllt, das je ein Staat inszenierte. Das Tiefste, das
Männer und Frauen verbinden kann, wurde auf amtlichen Befehl
mißbraucht. Die Leidtragenden waren die Frauen, die Mütter
wurden; denn ihre Kinder, kaum geboren, wurden ihnen vom Staat
genommen. Und die Leidtragenden waren die Kinder, die ihren
Vater und ihre Mutter nicht kannten.
Scan: Kaahaari
K&L: Yfffi
November 2002
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Vom gleichen Autor erschienen außerdem als Heyne-
Taschenbücher
Getreu bis in den Tod • Band 165
Kriegsgericht • Band 5283
Division Brandenburg • Band 5346
HEYNE-BUCH Nr. 5171 im Wilhelm Heyne Verlag, München
4. Auflage
Copyright © 1975 by Wilhelm Heyne Verlag, München
Printed in Germany 1978
Umschlagfoto: Manfred Schmatz, München
Umschlaggestaltung: Atelier Heinrichs, München
Gesamtherstellung: Ebner, Ulm
ISBN3-453-00521-X
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»Ich ließ zunächst mehr inoffiziell durchblicken, daß jede
unverheiratete Frau, die sich allein auf der Welt befindet, aber
gern ein Kind will, sich vertrauensvoll an den Lebensborn
wenden soll. Die Reichsführung SS wird das Kind adoptieren
und für seine Erziehung sorgen. Ich war mir klar, daß dies
einen revolutionären Schritt bedeutete ... Aber Sie können sich
vorstellen, daß wir nur wertvolle und rassisch einwandfreie
Männer als Begattungshelfer verwenden ... Man wird sehen,
was wir erst aus der Sache machen, wenn der Krieg vorbei ist.
Da wird es für jede deutsche Frau Ehrensache werden, wenn
sie mit dreißig immer noch kinderlos ist, ihr Kind auf diese
Weise zu bekommen. Dann wird sich auch niemand mehr
dagegen sträuben, wenn wir die Sache nicht mehr auf
freiwilliger Basis machen, sondern gesetzlich erzwingen ...«
Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, am 9. Mai 1943 zu
seinem Leibarzt und späteren Biographen Kersten. (Aus dem
Kapitel »Die neue Bigamie« der Kersten-Memoiren.)
Dieser Roman um mißbrauchte Mütter und verlorene Kinder
stützt sich auf genaue Dokumentation durch Akten des
Militärtribunals in Nürnberg, durch Aussagen von Lebensborn-
Mitgliedern und von Müttern, die mit dem Lebensborn in
Berührung gekommen sind, und durch eidesstattliche
Erklärungen von Zeugen, die aus persönlichem Augenschein
die Rassepolitik des Dritten Reiches kannten.
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1. KAPITEL
Der Mai füllte die Luft mit Frühling. Am Nachmittag hatte
es geregnet. Jetzt hingen die Dampfnebel der warmen,
schwellenden Nacht in den Zweigen der Bäume wie weiße
Tücher, die sich verfangen hatten. Von den Blättern fielen
träge Tropfen. Um die steinernen Kandelaber der
schmiedeeisernen Leuchten tanzten die ersten Mücken durch
die feuchte Luft.
Nur Schritte auf dein knirschenden Kies unterbrachen die
Stille des Abends. In der Ferne schlug eine Turmuhr an. Doris
lehnte sich leicht gegen den Mann. Sie fühlte den Druck seiner
Hand auf ihrem Arm. Sie wußte, daß sie seine Hand nach der
Trennung noch lange spüren würde: fester als weich und
drängender als kühl ...
»Klaus«, sagte sie leise, fast bittend.
Der Mond drehte seine Scheibe aus den Wolken. Das Licht
strich über den jungen Fliegeroffizier. Er war hochgewachsen,
aber schmal, sehnig, aber nicht kräftig. Seine lederne
Gesichtsfarbe paßte nicht zu seinem hellen Blondhaar, so
wenig wie sein Alter zu seinem Mund. Klaus Steinbach war 24
Jahre alt, und die Kerben links und rechts der Lippen stammten
aus mindestens doppelt so vielen Luftkämpfen.
»Klaus«, setzte Doris zum zweitenmal an, »... dieser Urlaub
... war er schön?«
Er blieb stehen. Das Lachen löschte die Falten in seinem
Gesicht. Jetzt war er wieder der unbekümmerte Junge, dem die
Mädchen in die Augen sahen, während sie an seinen Mund
dachten. Der junge Oberleutnant sah besser als gut aus. Aber er
wußte es nicht. Er war ein Idealtyp seiner Zeit. Er konnte
nichts dafür. Er glaubte an dieses Leben des Jahres 1941, und
er lebte in diesem Glauben ...
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»Warum willst du es hören?«
»Weil ich es wissen möchte.«
»Und warum willst du es wissen?«
»Weil ich es glauben möchte ...«
»Ja«, erwiderte er, »es war schön ... es ist sehr schön.«
»Und morgen mußt du wieder zurück ...«, sagte Doris.
»Ich kann nichts daran ändern«, antwortete er härter, als er
wollte.
»Du kommst wieder ...«, entgegnete das Mädchen mit
banger Sicherheit.
»Zu dir«, erwiderte er.
»Zu uns«, sagte sie. Doris hatte lange, schmale Hände.
Manchmal dachte Klaus, daß sie das Schönste an ihr seien.
Aber sie hatte auch lange, schlanke Beine. Und am Ende
solcher Betrachtungen fand er immer alles gleich schön an ihr:
die fast unnatürlich großen Blauaugen, die sich verdunkeln
konnten wie der Himmel. Die unnatürlich kleinen Ohren, die in
ihren Wuschelhaaren steckten wie Ornamente. Der Mund, der
gleichzeitig lächelte und grübelte. Nur vor ihrer Stirn empfand
Klaus Scheu. Sie war hoch und streng. Es war die Stirne eines
Mädchens und einer Frau zugleich. In seinen Gedanken
wenigstens oder bestimmt in seinen Träumen.
»Was denkst du?« fragte Doris.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, strich ihm mit
flüchtiger Hand das Haar zurecht.
Er straffte sich, wie immer, wenn sie ihn berührte. Aus
wilder Erwartung, wie aus verhaltener Scheu. Aber Doris
merkte es nicht. Klaus sah in ihre Augen. Sie verschwammen
vor ihm mit dem Dunkelblau, das die Nacht trug. Das
unwirkliche Licht des Mondes versilberte den goldenen Flaum
auf ihrer Stirne unter dem Haaransatz. Er mußte an sich halten,
um sie nicht in seine Arme zu reißen.
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