Paulo Coelho - Handbuch des Kriegers des Lichts.pdf

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Ein Krieger des Lichts glaubt
Paulo Coelho
Handbuch des
Kriegers des
Lichts
Aus dem Brasilianischen
von Maralde Meyer-
Minnemann
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corrected by Heide1
Diogenes
Ein Krieger des Lichts glaubt. Weil er an Wunder glaubt, geschehen auch
Wunder. Weil er sich sicher ist, daß seine Gedanken sein Leben verändern
können, verändert sich sein Leben. Weil er sicher ist, daß er der Liebe
begegnen wird, begegnet ihm diese Liebe auch.
Manchmal wird er enttäuscht, manchmal verletzt.
Aber der Krieger weiß, daß es sich lohnt. Für jede Niederlage gibt es zwei
Siege. Alle, die glauben, wissen das.
Das Handbuch des Kriegers des Lichts erzählt von elementaren
Erfahrungen, von Grenzgängern und Suchenden. In gleichnishaften
Geschichten und Maximen aus drei Jahrtausenden zeigt Paulo Coelho den
mutigen Umgang mit sich selbst, mit Konflikten und schwierigen
Lebenssituationen.
(Backcover)
ISBN 5 257 06277 X
Titel Originalausgabe:
>Manual do guerreiro da luz<
Der vorliegende Text gehört wie >Der Wanderer< und >Unterwegs< zum
>Maktub<-Zyklus
Umschlagillustration: >Schreitender Löwe<, nach babylonischen Wandfries
aus der Zeit Nebukadnezars II. (604-562 v. Chr.)
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Der Jünger ist nicht über
den Meister erhaben;
wenn er aber ganz
vollendet ist, so wird
er sein wie sein Meister.
Lukas 6:40
INHALT
INHALT ........................................................................................... 3
PROLOG......................................................................................... 4
HANDBUCH DES KRIEGERS DES LICHTS .............................. 8
EPILOG.........................................................................................77
PROLOG
»Vom Strand östlich des Dorfes aus kann man eine Insel
sehen, auf der sich eine riesige Kirche mit unzähligen Glocken
erhebt«, sagte die Frau zu dem kleinen Jungen.
Er hatte sie noch nie zuvor in der Gegend gesehen; ihm fiel auf,
daß sie fremdartige Kleider und über dem Haar einen Schleier
trug.
»Kennst du diese Kirche?« fragte sie ihn. »Schau sie dir an,
und erzähl mir dann, wie du sie findest.«
Von der Schönheit der Frau betört, machte sich der Junge
sogleich auf den Weg zum Strand. Er setzte sich in den Sand,
suchte den Horizont mit den Blicken ab, sah aber nichts als
das, was er immer sah: den blauen Himmel und den Ozean.
Enttäuscht lief er zum nächsten Weiler und fragte die Fischer,
ob sie etwas von einer Insel und einer Kirche gehört hätten.
»Ja, vor langer Zeit wohnten meine Urgroßeltern dort«,
antwortete ihm ein alter Fischer. »Aber dann kam ein
Erdbeben, und die Insel ist versunken. Dennoch hören wir noch
heute manchmal, obwohl wir sie nicht sehen können, die
Glocken der Kirche, wenn das Wogen der Wellen sie unten auf
dem Meeresgrund erklingen läßt.« Das Kind kehrte zum Strand
zurück: Es wartete den ganzen Nachmittag, aber da war nichts
als das Tosen der Wellen und das Kreischen der Möwen.
Bei Einbruch der Dunkelheit kamen die Eltern das Kind holen.
Doch schon am nächsten Morgen kehrte es wieder zum Strand
zurück. Das Bild der Frau ließ ihm keine Ruhe, und es kam ihm
undenkbar vor, daß ein so schöner Mensch nicht die Wahrheit
gesagt haben könnte. Wenn sie eines Tages wiederkäme,
wollte es ihr sagen können, daß es die Insel zwar nicht
gesehen, aber die Kirchenglocken gehört habe, die die Wellen
zum Klingen brachten. So gingen die Monate ins Land: Die
Frau kehrte nicht zurück, und der kleine Junge vergaß sie; aber
die versunkene Kirche vergaß er nicht, denn eine Kirche birgt
immer irgendwelche Reichtümer und Schätze. Wenn der Junge
die Glocken hören könnte, würde er die Gewißheit haben, daß
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die Fischer die Wahrheit gesagt hatten, und wenn er einmal
groß war, würde er so viel Geld zusammenbringen, daß er eine
Expedition ausrüsten und den verborgenen Schatz heben
konnte.
Der Junge verlor das Interesse an der Schule, an seinen
Kameraden. Er wurde zur beliebten Zielscheibe des Spottes
der anderen Kinder, die ihn verhöhnten und sagten: »Er ist
nicht wie wir. Er guckt lieber aufs Meer, und mit uns spielen will
er auch nicht, weil er Angst hat zu verlieren.«
Und sie lachten über den kleinen Jungen, der immer am Strand
saß.
Obwohl er die alten Kirchenglocken noch immer nicht hören
konnte, lernte er doch jeden Morgen etwas Neues dazu. Zuerst
entdeckte er, daß er sich nicht mehr von den Wellen ablenken
ließ, weil ihm ihr Rollen inzwischen ganz vertraut war. Wenig
später hatte er sich auch an das Geschrei der Möwen und das
tiefe Summen der Bienen gewöhnt und an das Schleifen der
Palmblätter im Wind.
Sechs Monate nach seiner ersten Begegnung mit der Frau ließ
sich der Junge von keinem Geräusch mehr ablenken - aber die
Glocken der versunkenen Kirche hörte er immer noch nicht.
Andere Fischer gesellten sich zu ihm an den Strand. »Wir, wir
hören sie!« behaupteten sie steif und fest.
Aber der Junge hörte sie nicht.
Nach einiger Zeit aber sagten die Fischer zu ihm: »Du
kümmerst dich zu sehr um das Läuten der Glocken, laß gut
sein, und geh wieder mit deinen Kameraden spielen. Vielleicht
sind wir Fischer die einzigen, die sie hören können.«
Etwa ein Jahr später beschloß der Junge aufzugeben. »Die
Männer haben wahrscheinlich recht. Am besten, ich werde
ebenfalls Fischer, wenn ich groß bin. Dann kehre ich jeden
Morgen hierher an den Strand zurück und höre die Glocken.«
Und er dachte auch: »Vielleicht ist ja alles nur ein Märchen, und
die Glocken sind beim Erdbeben kaputtgegangen und erklingen
nie wieder.«
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