Schroedinger Katze - Einfuehrung in die Quantenphysik.pdf

(648 KB) Pobierz
Microsoft Word - Schrödingers Katze.doc
Inhalt
Vorbemerkung des Herausgebers
7
Eine Katze wird weltberühmt
9
Der Umsturz im Weltbild der klassischen Physik
15
Ist Licht Teilchen oder Welle?
15
Das Bohrsche Atommodell
23
Quantenzahlen bringen Ordnung in die Welt
30
Ein Experiment, an dem sich viele Diskussionen
entzündeten 39
Wellenfunktionen und Wahrscheinlichkeiten 46
Heisenbergs Unschärferelation 52
Tunneleffekt - Ereignisse, die eigentlich nicht passieren
dürften 60
Die geheimnisvolle Fernwirkung zwischen zwei Teilchen
65
Kosmologie und Multiweiten 74
Neueste Experimente aus der Welt der Quantenphysik 78
Wie die Quantenphysik unseren Alltag verändert
Schrödingers Katze
87
Laser 87
Supraleiter. 97
Quantenphysik in der Medizintechnik 103
Mikroelektronik und Datenspeicherung 105
Quantencomputer
Einführung in die Quantenphysik
Von
Brigitte Röthlein
109
Anhang
Glossar 114
Weitere Literatur 120
Register
Mit Schwarzweißabbildungen von
Nadine Schnyder
122
by Berryl / T@lia - member of [dark]
16142338.003.png 16142338.004.png
Vorbemerkung des Herausgebers
stehen, die unser tägliches Leben verändern, allen voran der Laser in
seinen unzähligen Anwendungsbereichen.
Olaf Benzinger
Die Anzahl aller naturwissenschaftlichen und technischen
Veröffentlichungen allein der Jahre 1996 und 1997 hat die Summe der
entsprechenden Schriften sämtlicher Gelehrter der Welt vom Anfang
schriftlicher Übertragung bis zum Zweiten Weltkrieg übertroffen.
Diese gewaltige Menge an Wissen schüchtert nicht nur den Laien ein,
auch der Experte verliert selbst in seiner eigenen Disziplin den
Überblick. Wie kann vor diesem Hintergrund noch entschieden
werden, welches Wissen sinnvoll ist, wie es weitergegeben werden soll
und welche Konsequenzen es für uns alle hat? Denn gerade die
Naturwissenschaften sprechen Lebensbereiche an, die uns — wenn wir
es auch nicht immer merken - tagtäglich betreffen.
Die Reihe Naturwissenschaftliche Einführungen im dtv< hat es sich
zum Ziel gesetzt, als Wegweiser durch die wichtigsten Fachrichtungen
der naturwissenschaftlichen und technischen Forschung zu leiten. Im
Mittelpunkt der allgemeinverständlichen Darstellung stehen die
grundlegenden und entscheidenden Kenntnisse und Theorien, auf
Detailwissen wird bewußt und konsequent verzichtet.
Als Autorinnen und Autoren zeichnen hervorragende
Wissenschaftspublizisten verantwortlich, deren Tagesgeschäft die
populäre Vermittlung komplizierter Inhalte ist. Ich danke jeder und
jedem einzelnen von ihnen für die von allen gezeigte bereitwillige und
konstruktive Mitarbeit an diesem Projekt.
Lange stand sie im Zentrum der Ablehnung, die Quantenphysik,
geradezu klassisch geworden ist Einsteins Kommentar »Gott würfelt
nicht!« Und in der Tat, es ist schon schwer zu
verstehen, daß hinter all den festen und unverrückbaren Naturvorgängen
unserer sinnlich erlebbaren Welt im Bereich der kleinsten Dimensionen
ausschließlich das Prinzip Zufall herrscht, das sich lediglich statistisch
erfassen läßt. Brigitte Röthlein zeigt aufseht lebendige Weise, wie es die
Quantentheoretiker dennoch geschafft haben, ihr Ideengebäude in der
Physik zu etablieren. Ausgehend von der schon Jahrhunderte alten
Diskussion um den Wellen- bzw. Teilchencharakter des Lichts über Max
Planck, Erwin Schrödinger, Niels Bohr, Werner Heisenberg oder Richard
Feynman führte der Weg, an dessen gegenwärtigem Stand Techniken
Eine Katze wird weltberühmt
Das Szenario könnte von einem Tierquäler stammen: Man stelle sich
eine Kiste vor, in die man nicht hineinsehen kann und aus der keine
Geräusche nach außen dringen. In dieser Kiste sitzt eine Katze. Sie ist
gesund und munter und ahnt nicht, in welch prekärer Lage sie sich
befindet. Denn neben ihr in der Kiste steht ein physikalischer Apparat,
der ihren sicheren Tod bedeutet: Ein radioaktives Präparat wird
irgendwann in der nächsten Stunde den Zerfall eines Atoms erleben,
man weiß nur noch nicht, wann innerhalb dieser nächsten Stunde.
Wenn das Atom zerfällt, wird es über einen Geigerzähler einen
elektrischen Impuls auslösen, der einen Hammer auf eine Phiole mit
Gift fallen läßt. Was nun geschieht, bedeutet für die Katze das Ende:
Der Hammer zertrümmert die Phiole, das Gift tritt aus und verdampft,
die Katze atmet es ein und stirbt sofort. Nichts von alledem ist von
außen zu sehen, zu hören oder zu fühlen. Selbst der aufmerksamste
Beobachter wird also nicht feststellen können, ob der radioaktive
Zerfall im Inneren der Kiste schon stattgefunden hat oder noch zu
erwarten ist. Denn radioaktive Elemente besitzen die Eigenschaft, daß
ihre Atome nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt zerfallen, sondern
nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit innerhalb einer bestimmten
Zeitspanne. Mit anderen Worten heißt das, man kann den Zerfall eines
bestimmten Atoms nicht zeitlich vorhersagen, man kann nur davon
ausgehen, daß er beispielsweise mit großer Sicherheit in der
kommenden Stunde eintritt.
Was bedeutet dies für die Katze in der Kiste? Während der Stunde, in
der der Zerfall eintreten wird, kann kein äußerer
9
16142338.005.png
Beobachter sagen, ob sie noch lebt oder schon tot ist, denn niemand
weiß, wann genau das radioaktive Atom zerfällt. In gewisser Weise ist
die Katze also gleichzeitig lebendig und tot oder keines von beiden, sie
befindet sich in einem Mischzustand zwischen Leben und Tod.
Selbstverständlich kann man aber zu jedem Zeitpunkt feststellen, ob
die Katze noch lebt oder schon tot ist, indem man die Kiste öffnet und
hineinschaut.
Zum Glück für die Katze ist dieses Szenario nur ein
Gedankenexperiment, das im Jahr 1935 von dem österreichischen
Physiker Erwin Schrödinger erfunden wurde. Er wollte damit ein
Beispiel geben für die Unsicherheit, mit der im Grunde unsere ganze
Welt behaftet ist. Schrödinger war einer der Väter der sogenannten
Quantenmechanik, einer Wissenschaft, die die Vorgänge im Bereich
des Allerkleinsten mathematisch beschreibt und deutet. Und in dieser
mikroskopischen Welt passieren die skurrilsten Dinge: Da können
Teilchen gleichzeitig an verschiedenen Orten sein, sie können sich
schneller als mit Lichtgeschwindigkeit miteinander verständigen oder
übergangslos von einem Ort zum anderen springen. Mit seinem
Katzenbild hat Erwin Schrödinger es verstanden, einen außerordentlich
komplizierten Gedankengang so populär darzustellen, daß ihn jeder
versteht. Vielleicht ist dies der Grund, warum seine Katze so berühmt
wurde.
Trotz der theoretischen Probleme bietet die Quantenmechanik aber
eine Beschreibung der realen Welt, die mit unserer Alltagserfahrung
gut vereinbar ist. Daß dies so ist, beruht allein auf der Tatsache, daß sie
nur für winzigste Abmessungen gilt; sobald man zu Längenmaßstäben
übergeht, die unserer wahrnehmbaren makroskopischen Welt
entsprechen, treten die Regeln der Quantenphysik nicht mehr in
Erscheinung — zumindest im Normalfall nicht.
Genau dies erschwert das Verständnis dieser komplizierten
Wissenschaft, und Schrödinger erfand deshalb das Gedan-
kenexperiment mit der Katze, um auch für den Laien die Grundidee
der Quantenmechanik verständlich zu machen. Sie sagt nämlich aus,
daß alles und jedes, sei es ein Teilchen, das Licht oder eine Kraft, in
Wirklichkeit ungewiß ist. Kein Teilchen befindet sich zu einer
bestimmten Zeit genau an einem bestimmten Ort, kein Lichtstrahl ist
nur hier und nicht gleichzeitig woanders, selbst das Vakuum, die
absolute Leere, ist erfüllt von einer Vielzahl von Teilchen und Wellen.
Diese seltsame, Ungewisse Welt des Verschwommenen und
Ungenauen verwandelt sich jedoch schlagartig in unsere gewohnte
festgefügte Welt des Erfahrbaren, wenn man darangeht, etwas zu
messen. In dem Augenblick, in dem ein Meßgerät ins Spiel kommt,
verändert sich die Wirklichkeit so, daß man sie exakt beschreiben
kann, wie man das seit dem berühmten Gelehrten Isaac Newton kennt.
Bei der Katze ist das »Meßgerät« der Beobachter, der die Kiste öffnet
und hineinschaut.
Man könnte also sagen, Meßgeräte verändern die Welt. Sie verwandeln
Ungewisses in Gewißheit und Verschwommenes in exakte Daten. So
ungewöhnlich diese Idee klingt, hat sie doch schon viele
philosophische Zirkel beschäftigt, und das Ergebnis ist bis heute offen.
Trotzdem waren die Diskussionen über die Quantenphysik und ihre
Aussagen über die Wirklichkeit nicht fruchtlos. Sie haben eine
Vielzahl von genialen Überlegungen hervorgebracht, und
Experimentalphysiker ruhten nicht, bis sie Anordnungen ersonnen
hatten, die manche der seltsamen Vorhersagen überprüfen sollten. So
begannen Wissenschaftler mit ganz konkreten Experimenten,
Schrödingers Katze zu realisieren, und daraus entstand eines der
spannendsten Kapitel der modernen Physik, das bis heute noch
keineswegs abgeschlossen ist.
Mit seinem Bild von der Katze zwischen Leben und Tod wollte
Schrödinger nicht nur das Grundprinzip der Quantenmechanik
illustrieren, sondern auch seinen Zweifeln Ausdruck verleihen. Denn
es war ihm unbehaglich zumute bei
10
11
16142338.006.png
dem Gedanken, daß die Welt grundsätzlich auf Ungewißheiten
beruhen sollte. Der geniale dänische Theoretiker Niels Bohr, dem wir
das »Bohrsche Atommodell« verdanken, beschäftigte sich in vielen
Diskussionen ebenfalls mit dieser Frage. Er antwortete Schrödinger,
daß Messungen immer mit einem makroskopischen Meßgerät
ausgeführt werden müssen, und daß dieser Apparat, der den Gesetzen
der klassischen Physik gehorchen muß, die Überlagerung der
Quantenzu-stände zerstört, er läßt sie kollabieren. Diese Erklärung des
Übergangs zwischen klassischer und Quantenphysik erhielt den
Namen »Kopenhagener Deutung«.
Im Jahr 1996 jedoch gelang es erstmals einem Forscherteam an der
Pariser Ecole Normale Superieure, ein Experiment durchzuführen, bei
dem das Meßgerät eben kein makroskopisches Objekt ist, sondern
seinerseits ebenfalls den Gesetzen der Quantenphysik gehorcht. In
Anlehnung an Schrödingers Katze nannten die Wissenschaftler es
»Quantenmaus«. Serge Harouche und Jean-Michel Raimond versetzten
ein einzelnes Rubidium-Atom mit Hilfe von Laserimpulsen in eine
Überlagerung von zwei gleichzeitigen, hochangeregten Zuständen.
Dieses Atom schickten sie durch einen Hohlraum, der die
Schwingungen des Atoms gleichsam übernahm, oder anders
ausgedrückt, das Atom erzeugte in diesem Hohlraum eine
Resonanzschwingung. Auch diese bestand aus der Überlagerung der
beiden Zustände, entsprach also quasi Schrödingers halbtoter Katze.
Nun untersuchten die beiden französischen Forscher, wie stabil diese
Überlagerung unter verschiedenen Bedingungen blieb. Zu diesem
Zweck erfanden sie ein raffiniertes Meßgerät: Es besteht aus einem
zweiten Atom, das sie durch den Hohlraum fliegen ließen und das
dessen Schwingung abtastete. Anschließend konnte man seinen
Zustand in einem Detektor überprüfen. Harouche verglich das zweite
Atom mit einer Quantenmaus, die im Vorbeiwandern den Zustand der
Schrödingerschen Katze über-
prüft, ohne die Kiste zu öffnen. Und diese geniale Quantenmaus war
nicht, wie von Bohr postuliert, ein Gegenstand der klassischen Physik,
sondern wegen seiner winzigen Größe selbst ein quantenphysikalisches
Objekt.
Das Ergebnis des Experiments zeigte, daß der Übergang vom
Quantenzustand zur klassischen Physik nicht schlagartig, sondern
allmählich erfolgt. Je größer der Zeitabstand zwischen dem Durchgang
des ersten und des zweiten Atoms durch den Hohlraum war, desto
wahrscheinlicher wurde es, daß die Überlagerung der beiden Zustände
bei der Messung bereits kollabiert war. Das Fazit der Forscher: Beim
Übergang vom Mikro- zum Makrokosmos geht die Quantenphysik
ganz allmählich in die klassische Physik über. Je größer das betrachtete
System ist, desto kurzlebiger sind Überlagerungen zwischen zwei
Zuständen, etwa tot und lebendig. Im erlebbaren, makrophysikalischen
Alltag wird man ihnen also wohl nie begegnen.
Ein ganz entsprechendes Ergebnis erhielten die amerikanischen
Physiker Chris Monroe und David Wineland vom National Institute of
Standards and Technology in Boulder/Colo-rado. Sie erzeugten an
einem Beryllium-Atom ebenfalls durch Laserimpulse eine
Überlagerung von zwei Hyperfeinzustän-den. Diese entstehen durch
die Wechselwirkung der Elektronen in der Atomhülle mit den
elektromagnetischen Feldern des Atomkerns. Die Überlagerung wurde
mit einer Schaukelbewegung des Atoms in einer lonenfalle verbunden.
Monroe verglich die Anordnung mit einem Kind auf einer Schaukel,
das hin und her, gleichzeitig aber auch her und hin schwingt. Eine
Momentaufnahme, wäre sie möglich, würde das Atom zur selben Zeit
an zwei verschiedenen Orten zeigen. Der Abstand zwischen diesen
beiden Orten betrug nach den Berechnungen der amerikanischen
Forscher rund achtzig Nanometer (Millionstel Millimeter). Sie fanden
nun heraus, daß der Über-lagerungszustand um so schneller wieder
verschwindet, je
12
13
16142338.001.png
größer diese Distanz der gekoppelten Teilatome ist. Auch
hieraus lautet die Schlußfolgerung, daß bei den Abmessun-
gen unserer Alltagswelt keine quantenmechanischen Überra-
schungen zu erwarten sind. j
Achtzig Nanometer ist jedoch ein Abstand, der von den
Größenordnungen der elektronischen Schaltkreise, die heute
in den Labors der Computerindustrie entwickelt werden,
nicht mehr allzu weit entfernt ist. So könnte es sein, daß eine
noch weitere Miniaturisierung der Computerchips uns eines
Tages in die Wunderwelt der Quantenphysik führt und doch
noch eine direkte Verbindung herstellt zwischen unserer All-
tagswelt und den Ungewißheiten im Kleinsten, die Schrödin-
ger vorhergesagt hatte.
Der Umsturz im Weltbild der
klassischen Physik
Ist Licht Teilchen oder Welle?
Licht ist für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit, über die
sie sich nicht viele Gedanken machen. Für die Physiker ist das Licht
jedoch schon seit Jahrhunderten ein Studienobjekt, an dem sich die
Geister scheiden. Und Licht ist auch der Schlüssel zur Quantenphysik.
Eine der zentralen Fragen im Zusammenhang mit Licht war stets, ob es
aus Wellen oder aus Teilchen besteht. Im Lauf der Jahrhunderte gab es
wechselnde Schulen für die eine oder die andere Vermutung, und vielfach
bekämpften sich die Anhänger der beiden Theorien mit erbitterter Härte.
Der Leidener Mathematikprofessor Willebrord Snellius untersuchte
Anfang des 17. Jahrhunderts die Brechung von Lichtstrahlen beim
Übergang von einem Medium zu einem anderen, also zum Beispiel von
Luft in Wasser. Dabei entdeckte er 1621 das Brechungsgesetz, das bis
heute gilt. Es sagt aus, daß sich Licht in unterschiedlichen Medien mit
unterschiedlicher Geschwindigkeit ausbreitet. Bekanntgemacht wurde
dieses Gesetz jedoch erst 1637 von Rene Descartes, der sich bemühte, es
gemeinsam mit anderen optischen Phänomenen durch die Annahme zu
erklären, daß das Licht aus kleinen Partikeln bestehe, die sich in schneller
geradliniger Bewegung befinden. So stellte er sich auch vor, daß die
Reflexion von Lichtstrahlen nichts anderes sei als das Abprallen der
Lichtteilchen an elastischen Oberflächen. Für die Wellentheo-rie des
Lichts hingegen entschied sich etwa zur gleichen Zeit
15
16142338.002.png
Zgłoś jeśli naruszono regulamin