WEW-09-08-epaper Inflation, Globalisierung - Logistik und Transport.pdf

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0 September 2008
Warum versuchen Unternehmen ...
2007 gab es
1099
Transaktionen
mit Beteiligung
deutscher
Unternehmen.
... häufig, andere zu übernehmen?
Die Übernahme des Reifenprodu-
zenten Continental durch die Schaeffler
Gruppe bewegte die Öffentlichkeit.
Conti-Mitarbeiter fürchten um Arbeits-
plätze und soziale Standards. Das
Schaeffler-Management verkündete,
man wolle einen integrierten Auto-
zulieferer mit breitem Angebot und
hoher Fertigungstiefe schaffen. Sol-
che Gründe nennen auch andere Un-
ternehmen. Dank Synergieeffekten
soll die – freiwillige oder unfreiwillige
– Vereinigung Kosten senken und das
A n g e b o t v e r b e s s e r n . S o w o l l t e D a i m l e r
mit Chrysler aus den USA
einen Weltkonzern schaffen.
Allianz versuchte mit der Dresdner
Bank einen Allfinanzkonzern zu bauen,
a l s o i h r e K u n d e n b a s i s u n d i h r A n g e b o t s -
spektrum zu erweitern. Es handelt sich
nicht um Einzelfälle: Die Berater von
M&A International zählten 2007 allein
1099 Fusionen und Übernahmen mit
Beteiligung deutscher Unternehmen,
elf Prozent mehr als im Vorjahr.
Kritiker behaupten, dass Manager mit
Fusionen oft nur versuchen, die eigene
Bedeutung und das Gehalt zu steigern.
Niedrige Steuern motivieren
Der scheidende US-Präsident
George W. Bush erntete viel Kritik
– auch wegen seiner Steuer senkun -
gen für Vielverdiener. Jetzt veröf-
fentlichte die US-Steuerbehörde
Internal Revenue System eine
interessante Statistik: 2006 kon-
zentrierte das eine Prozent der
Amerikaner mit den höchsten
Einkünften 22 Prozent aller Ein-
kommen auf sich. Allerdings zahl-
ten sie 40 Prozent des gesamten
Steueraufkommens – mit 247 Mil-
liarden Dollar et wa doppelt so viel
wie im Jahr 2003, als Bush die Sät-
ze dann kappte. Warum dies so is t ,
weiß niemand. Wohl entwickeln
Vermögende mehr Lust am Geld-
verdienen, wenn die Sätze niedrig
sind. Der Demokrat Barack Obama
will, falls er bei den Wahlen siegt,
die Reichen wieder s tärker bes teu -
ern – wie einst Jimmy Carter. Da-
mals leisteten die Top-Verdiener
gerade 19 Prozent des Steuerauf-
kommens. Viel Spaß beim Lesen!
Warum gehen Übernahmen ...
Die Berater von
A.T. Kearny sagen:
80 % aller
Übernahmen
gehen schief.
... und Fusionen in vielen Fällen schief?
Für das Scheitern von Fusionen und
Übernahmen gibt es einige Gründe.
Nach den Erkenntnissen der Unter-
nehmensberater von A.T. Kearny ha-
ben die Manager der Unternehmen
– beziehungsweise bei einer
feindlichen Übernahme die
Manager des überneh-
menden Unternehmens
– meist nur Kostensen-
kungen im Blick. Außer-
dem würden sie die
Vereinigung nach standar-
disierten Mustern abwickeln
und Aspekte wie Corporate Identity
– die spezifischen Charaktereigen-
schaften eines Unternehmens – nicht
berücksichtigen. So wird zusammenge-
fügt, was nicht richtig passt. Außerdem
werden Fusionen und Übernahmen
den Mitarbeitern oft nicht offen
kommuniziert. So haben sie vielfach
das Gefühl, vom Management nicht
ernstgenommen zu werden. Sie kön-
nen sich nicht wehren. Folge: Dienst
nach Vorschrift. Das kostet Umsatz
und Gewinn. Der Börsenwert sinkt im
Durchschnitt um 2,5 Prozent.
Chefredakteur, F OCUS -M ONEY
Kontakt: mailto:wirtschafterklaeren@focus-money.de
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Lohnende Ausflüge
ins Ausland
Semester oder Praktika
jenseits der Grenzen
erhöhen die
Karrierechancen
2
Geldentwertung
mit hohem Tempo
Ob Benzin oder Lebensmittel
– alles wird teurer. Warum die
Inflation derzeit
an Kraft gewinnt
3
Manager des
Welthandels
Serie Globalisierung (5):
Transport und
Logistik.
6
Den Trends auf
der Spur
Marktforscher arbeiten an
vielfältigen Themen – ein
spannender Beruf
7
Lernen
mit LINKS
Die M ONEY -Buchtipps
und -Bookmarks
8
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Frank Pöpsel
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Karriere
Zurzeit haben
3 5 %
aller Studenten nach
drei Jahren ein Semester
oder Praktikum im
Ausland verbracht.
Schlauer Seitensprung
Der DAAD hat
sich zum Ziel gesetzt,
diese Zahl auf
50 %
zu erhöhen.
Ein globaler Arbeitsmarkt verlangt globales Denken –
warum Auslandssemester immer wichtiger werden.
te ihre Koffer, kehrte der Uni Köln den
Rücken und flog für ein Aulslandsemester
nach Tucumán, Argentinien. Das war 1994.
Heute ist sie Referatsleiterin für Nord- und
Lateinamerika im Deutschen Industrie-
und Handelskammertag. Ein Job, der ohne
Auslandserfahrung undenkbar gewesen
wäre. Immer mehr Studenten wissen das
und verleihen mit einem Auslandsseme-
ster ihrem Lebenslauf das nötige Extra.
In Fächern der Sprach- und Kultur-, aber
auch der Wirtschaftswissenschaften ist
ein studienbezogener Auslandsaufenthalt
selbstverständlich. Im vergangenen Jahr
zog es 75 000 deutsche Studenten in andere
Nationen – 1995 waren es gerade 42 000.
Vorteil Ausland. Warum suchen
so viele die Universität in der Ferne? Das
mag zum einen an den neuen Rahmenbe-
dingungen liegen. Mit dem sogenannten
ECTS (European Credit Transfer System)
in den Bachelor- und Master studiengängen
sollen Studienleistungen im europäischen
Raum vergleichbar werden. So kann
eine Klausur an der Universität Madrid
genauso viele Punkte einbringen wie an
der heimischen TH Karlsruhe. Allerdings
hapert es noch teils an der Umsetzung.
Selten schaffen die Studenten die selben
Leistungen wie im Inland, lernen dafür
aber Sprache sowie Kultur kennen und
knüpfen wichtige Kontakte. Hinzu kommt,
dass die Vorlesungszeiten der deutschen
Hochschulen oft von denen im Ausland
abweichen: Die Studenten verkürzen
zwangsweise ihr Semester und die Pro-
bleme führen nicht selten zu einem län-
geren Gesamtstudium.
Doch die Zeit lohnt sich – nicht nur we-
gen der Fremdsprachenförderung: „Ein
Bewerber mit einem längeren Auslandsauf-
enthalt kann sich flexibel auf neue Situa-
tionen einstellen und verfügt über wichtige
interkulturelle Erfahrungen“, sagt Kathrin
Elmerich, Mitarbeiterin im Zentralbereich
Human Resources der Thyssenkrupp AG.
Und fügt hinzu: „Wir schauen jedoch ge-
zielt danach, welche Universität der Bewer-
ber besucht hat und wo der Schwerpunkt
des Auslandsstudiums lag.“ Als Alternative
empfiehlt Elmerich besonders ein Ausland-
spraktikum, da es zusätzliche Berufserfah-
rungen bringt.
Auch Christiane Schmeken, Referats-
leiterin beim Deutschen Akademischen
Austauschdienst (DAAD), weiß um die
Vorteile des Aufenthaltes: „Befragungen
von Unternehmen haben immer wieder
gezeigt, dass diese weniger die konkreten
Inhalte des Auslandsstudiums schätzen
als die Tatsache, dass mobile Studierende
Flexibilität, Neugier auf Neues und eine
gute Integrationsfähigkeit besitzen.“
Bessere Chancen. Um das Aus-
landssemester für möglichst viele Stu-
denten bezahlbar zu machen, vergibt der
DAAD über die Universitäten jährlich rund
16 000 Stipendien an deutsche Studenten.
Der Bewerber muss dafür mindestens ein
Fachsemester absolviert haben. Gute No-
ten sind allerdings stets eine Grundvoraus-
setzung. „Masterstudenten und andere
Graduierte erhalten zudem ein finanziell
attraktives Vollstipendium“, so Schmeken.
„Deswegen ist diese Phase für eine Bewer-
bung besonders lohnend.“
Auch Barbara Konner erhielt damals Un-
terstützung vom DAAD und ist froh über
diese Entscheidung: „Ich musste mich auf
ein fremdes Umfeld und andere Gewohn-
heiten einstellen – also ein manchmal völlig
anderes Leben“, sagt die heute 40-Jährige.
„So habe ich nicht nur viel über das Land
und seine Menschen gelernt, sondern auch
über mich selbst.“
Informationen:
www.semester-im-ausland.de
www.daad.de
www.ieconline.de
Neue Bachelor-StudieNgäNge aN deutScheN hochSchuleN
Breite Autobaukenntnisse
Epidemiologische Studien
Interkulturelle Fähigkeiten
Die Automobilindustrie ist der größte
Arbeitgeber Deut schlands . Der neue Stu -
diengang Fahrzeugbau der Universität
Siegen bietet einen breiten Einstieg in die
Branche. Autointeressierte erhalten Ein-
blick in alle Zweige der Autofertigung.
Vermittelt werden technische Aspekte
wie Konstruktion und Produktentwick-
lung, aber auch die Aufgaben des Ma-
nagements. Wer sein Wissen nach dem
Abschluss weiter vertiefen möchte, hat
vielfältige Möglichkeiten. Eine Option ist
der Anschluss eines allgemeinen Maschi-
nenbaustudiums. Zusätzliche Informatio-
nen unter: www.uni-siegen.de
Der im Wintersemester 2008/09 begin-
nende Studiengang Mathematische
Biometrie der Universität Ulm befasst
sich hauptsächlich mit den Fachgebieten
Mathematik, Statistik, Informatik und
Lebenswissenschaften. Was sich zu-
nächst abstrakt anhört, dient einer
praktischen Sache. Gebraucht werden
die Absolventen in der Pharmazie. Dor t
übernehmen sie Aufgaben in der Pla-
nung und Durchführung von epidemio-
logischen und pharmazeutischen Studi-
en. Wer Interesse an der Branche hat,
kann sich bis zum 30.09. 20 0 8 bewerben.
Informationen: www.uni-ulm.de
Wirtschaft-, Sprach- und Kulturwissen-
schaf t – alles in einem. Dieses Gesamtpa-
ket bietet der neue AKAD-Studiengang
International Business Communication.
Die Wirtschaft benötigt mehr Personal
mit interkulturellen Fähigkeiten. So wer-
den neben dem wirtschaftlichen Wissen
auch Kenntnisse in Sprach- und Kultur-
wissenschaften vermittelt. Das Studium
ist ein Fernstudium und kann jederzeit
begonnen werden. Da die AKAD eine
private Hochschule ist, fallen Studienge-
bühren an. Bafög oder Stipendien kön-
nen beantragt werden. Informationen:
www.akad.de
S ie hat es getan: Barbara Konner pack-
132128990.001.png 132128990.002.png 132128990.003.png 132128990.004.png 132128990.005.png
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Seite 3
iNflatioN
Die Angst vor steigenden Preisen
Brötchen, Butter oder Benzin – alles wird teurer und das Geld im Portemonnaie jeden
Tag ein bisschen weniger wert. Viele Deutsche fürchten sich deshalb vor der Zukunft.
kostete in den 50er Jahren 50 Pfennige, umgerechnet
25 Cent. Heute bezahlen Kinogänger sieben bis acht Euro
pro Film. Zurzeit müssen die Deutschen vor allem im Su-
permarkt und an der Tankstelle immer tiefer in die Tasche
greifen. Auch die Nebenkosten steigen: Wer in die erste
eigene Wohnung zieht, erschrickt spätestens dann, wenn
die Energiekostenabrechnung im Briefkasten liegt. Seit
einiger Zeit steigt die Inflationsrate immer schneller: Sie
hat hierzulande die Marke von drei – eurolandweit sogar
von vier – Prozent überschritten. Viele Menschen fürchten
sich vor dieser Entwicklung, wie der ARD Deutschland-
trend belegt: 85 Prozent der deutschen Bundesbürger ha-
ben laut der Umfrage Angst vor der Inflation.
tion bemisst, zu erstellen. Grundlage für die Berechnungen
ist ein Warenkorb, in dem sich jene Produkte und Dienst-
leistungen befinden, die für die Konsumwelt relevant sind:
Miete, Kartoffeln, Strom, der neue Fernseher und der Fri-
sörbesuch. Monatlich wird der Korb aktualisiert. „Die
Preiserheber vor Ort beziehen stets die gängigen Pro-
duktvarianten einer Güterkategorie in die Preisbeobach-
tung ein“, sagt Irmtraud Beuerlein, Leiterin der Gruppe
Preise beim Statistischen Bundesamt. „So wurde zum Bei-
spiel in der Güterkategorie Fernsehgeräte nach und nach
der Röhrenbildschirm durch den Flatscreen ersetzt.“
Derzeit sind Energie und Nahrungsmittel am stärksten
von der Teuerung betroffen. Einige Preise sind im Sommer
2008 im Vergleich zum Vorjahr drastisch gestiegen: Heiz-
öl (61,9 Prozent), Diesel (30 Prozent), Zitronen (92,2 Pro-
zent), Quark (31,1 Prozent) und Nudeln (27,9 Prozent)
treiben die Inflationsrate in die Höhe. Elektrogeräte da-
gegen sind deutlich billiger geworden. Wer heute ein
Notebook kauft, muss dafür 27 Prozent weniger Geld im
Warenhaus lassen als noch im Jahr zuvor. Auch die Prei-
se für Kleidung sind gesunken (siehe Grafik). Dennoch
steigt die Teuerung deutlich an. „Wir haben derzeit eine
hohe Inflationsrate“, bestätigt Beuerlein, „so hoch wie
seit 15 Jahren nicht mehr. Wir hatten uns an relativ sta-
bile Preise gewöhnt und sind nun schockiert.“ In der
Teure Nahrung. Inflation bedeutet, dass die Prei-
se steigen und sich die Konsumenten für denselben Betrag
weniger kaufen können. Wenn die Kinokarte früher
25 Cent kostete und heute etwa sieben Euro, sind die 25
Cent entsprechend weniger wert. Die Inflationsrate zeigt,
inwieweit sich die Preise in Deutschland im Vergleich zum
Vorjahr verändert haben. Dazu schickt das Statistische
Bundesamt jeden Monat rund 600 Mitarbeiter durch das
Land, um die aktuellen Preise zu ermittteln und daraus
den Verbraucherpreisindex (VPI), an dem sich die Infla-
Euro oder Teuro? Gefühle können täuschen
Preistreiber Energie
Der Verbraucherpreisindex (VPI) misst die realen Preissteigerungen, der
Index der wahrgenommenen Inflation (IWI), wie die Verbraucher die Geld-
entwertung empfinden. Um die Euro-Einführung 2002 und in den vergan-
genen Monaten wurde die Inflation viel stärker gefühlt, als sie war.
Unterschiedliche Entwicklung: Energie und
Kraftstoffe haben sich stark verteuert,
auch die Nahrungsmittelpreise stiegen an.
Kleidung dagegen wurde preiswerter.
Teuerungsrate: Tatsächliche und gefühlte Inflation
in Prozent
Verbraucherpreisindex
2005=100
14
Verbraucherpreisindex
Index der wahrgenommenen Inflation (2.0)
12
140
VPI insgesamt
Kraftstoffe
Haushaltsenergie
Bekleidung
Nahrungsmittel
135
10
130
129,7
128,5
8
125
120
6
115
113,1
107,0
4
110
105
2
100
100,4
0
95
-2
90
Jun
Aug
Okt
Dez
Feb
Apr
Jun
Aug
Okt
Dez
Feb
Apr
Jun
Jan 00
Jan 01
Jan 02
Jan 03
Jan 04
Jan 05
Jan 06
Jan 07
Jan 08
2006
2007
2008
Quelle: CEStat.ch, Center for Research in Economic Statistics, Universität Freiburg (CH)
Quelle: Statistisches Bundesamt
F rüher war alles billiger: Der Eintritt ins Lichtspielhaus
132128990.006.png 132128990.007.png 132128990.008.png 132128990.009.png 132128990.010.png 132128990.011.png 132128990.012.png 132128990.013.png 132128990.014.png 132128990.015.png 132128990.016.png 132128990.017.png 132128990.018.png 132128990.019.png 132128990.020.png 132128990.021.png 132128990.022.png
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Seite 4
Fortsetzung von Seite 3
Vergangenheit gab es noch viel schlimmere Zeiten (sie-
he Grafik unten). Beuerlein: „Wenn wir an die 20er Jah-
re denken, also an die Zeit der sogenannten Hyperinfla-
tion, dann sind die jüngsten Teuerungsraten von etwa
drei Prozent harmlos.“ Das Problem der Geldentwertung
ist keine rein deutsche Angelegenheit, auch in anderen
Regionen Europas steigen die Preise an. „Von den Ländern
der Europäischen Union weist Deutschland sogar eine
der niedrigsten Inflationsraten auf“, sagt Stefan Schilbe,
Chefvolkswirt von HSBC Trinkaus.
teurer geworden sind, hat noch eine weitere Konsequenz:
„Je weniger Einkommen die Menschen haben, desto
schlechter können sie die Folgen der Teuerung abfedern“,
sagt Brachinger. „Der Anteil vom Nettoeinkommen, der
nur für Lebensmittel, Wohnungen und Energie ausgege-
ben wird, steigt mit sinkendem Einkommen von etwa
20 auf über 60 Prozent.“ Je mehr die Haushalte von ihrem
Einkommen für kurzfristige Konsumprodukte wie Nah-
rungsmittel ausgeben müssen, desto weniger können sie
für langfristige Produkte wie Elektrogeräte sparen. „Es
gibt viele Haushalte, die nur die Verteuerung der Lebens-
mittel und der Energie spüren“, so Brachinger. „Von den
Preisrückgängen anderer Produkte, etwa in der Unter-
haltungselektronik, haben sie nichts, weil sie sich die
nicht leisten können.“
Gefühlte Inflation. Die Geldentwertung ist der-
zeit zwar hoch, begründet jedoch noch nicht die Angst
der Verbraucher. Eine Erklärung könnte die gefühlte
Inflation sein, die im Sommer bei über 11,5 Prozent – weit
höher als die 3,3 Prozent des VPI – liegt. Die Menschen
nehmen die Inflation stärker wahr, als sie ist.
Statistik-Professor Hans Wolfgang Brachinger, der seit
20 Jahren Inflationsforschung betreibt, geht zur Abschät-
zung der wahrgenommenen Inflation von dem gleichen
Warenkorb wie das Statistische Bundesamt aus, gewich-
tet jedoch die Produkte stärker, die öfter gekauft werden.
Je häufiger Verbraucher mit der Teuerung konfrontiert
werden, desto stärker empfinden sie sie. „Die Inflations-
wahrnehmung ist zurzeit deshalb besonders hoch, weil
– wie bei der Euro-Einführung – vor allem die Güter teu-
rer geworden sind, die wir besonders oft kaufen, zum
Beispiel Benzin oder Lebensmittel“, erklärt Brachinger.
Günstiger gewordene Elektrogeräte dagegen kaufen die
Verbraucher nur selten. „Zudem nehmen die Menschen
Preissteigerungen doppelt so intensiv wahr wie Preissen-
kungen“. Dass gerade die Produkte des täglichen Bedarfs
Begehrte Rohstoffe. Dass vor allem Gering-
verdiener in Deutschland von der steigenden Inflation
betroffen sind, liegt an internationalen wirtschaftlichen
Entwicklungen: „Der Preisauftrieb kommt vom Welt-
markt“, sagt Beuerlein vom Statistischen Bundesamt,
„Die Nachfrage nach Energie, Agrar- und Metallrohstof-
fen ist weltweit stärker gestiegen als das Angebot. Ent-
sprechend höher fällt die Importrechnung für die deutsche
Wirtschaft aus.“ Die meisten Produkte aus dem Waren-
korb, nach dem der VPI bemessen wird, werden aus Roh-
stoffen oder mit deren Hilfe hergestellt. Steigen die Roh-
stoffpreise, werden auch die Endprodukte teurer.
Preise richten sich generell nach Nachfrage und Ange-
bot. Die Nachfrage nach Rohstoffen steigt weltweit an: Mit
der Globalisierung geht die Industrialisierung von Schwel-
lenländern wie China und Indien schnell voran. Diese
Die Hyperinflation in den 20er Jahren: Billionen Mark für ein Laib Brot
Im Zuge des Ersten Weltkriegs stieg die Inflation vor allem
durch Kriegskosten, eine falsche Geldpolitik und hohe
Reparationsforderungen nach Kriegsende daramatisch an:
Die Löhne mussten täglich ausbezahlt werden, Ersparnisse
und selbst Immobilien verloren stark an Wert. Die Reichsbank
ließ immer mehr Geldscheine drucken, zuletzt eine Banknote
über 100 Billionen Mark. Da beim täglichen Einkauf große
Mengen an Papiergeld nötig waren und sich Preise innerhalb
von Stunden verdoppeln konnten, versuchten die Menschen,
das fast wertlose Geld schnellstmöglichst in Sachwerte wie
Lebensmittel oder Zigaretten umzutauschen. Erst durch die
Währungsreform 1923 wurde die Inflation gestoppt.
Entwicklung der Verbraucherpreise seit 1920
in Prozent; indexiert; 2007=100
150
120,8
120
103,6
90
60
30
0
1920
1930
1940
1950
1960
1970
1980
1990
2000
2007
Quelle: Statistisches Bundesamt
132128990.023.png 132128990.024.png 132128990.025.png 132128990.026.png 132128990.027.png 132128990.028.png 132128990.029.png 132128990.030.png 132128990.031.png
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Seite 5
Fortsetzung von Seite 4
haben einen hohen Bedarf an Rohstoffen für die Wirtschaft
und Agrarrohstoffen für den täglichen Konsum. Das An-
gebot ist gesunken, Erdöl etwa ist eine nicht erneuer-
bare Energie, wird also Jahr für Jahr weniger. Durch
Verstädterung, Umnutzung für die Biospritproduktion,
Missernten und ineffiziente Bebauung werden Agrar-
rohstoffe wie Weizen und Mais knapper. Steigende
Nachfrage bei sinkendem Angebot bedeutet höhere
Preise. Wenn eine Dürre in Afrika die Ernte schmälert,
die Vereinigten Arabischen Emirate trotz steigender
Nachfrage nicht mehr Erdöl fördern oder die Menschen
in China mehr Fleisch essen, lässt das auch in Deutsch-
land die Inflation steigen. „Die teureren Einfuhrgüter
erhöhen die Kosten der Unternehmen und werden zum
Teil auf die Abnehmer überwälzt“, sagt Beuerlein. „Letzt-
lich spüren auch die deutschen Verbraucher in ihrem
Portemonnaie die Auswirkungen globaler Entwicklun-
gen.“ Volkswirt Schilbe prognostiziert allerdings, dass
dieser Trend sich nicht fortsetzt: „Bei einigen Rohstoffen
ist die Spitze der Preisentwicklung bereits überschritten.
Zudem gibt die Inflation die Entwicklung der Preise im
Verhältnis zum Vorjahr an, so lange die Preise zwar hoch
sind, aber nicht weiter steigen, schlägt sich das nicht
verstärkend auf die Inflationsrate nieder.“
Mehr Geld im Umlauf
Die Geldmenge M 3 in Europa ist stark gestiegen. Sie
umfasst den Bestand bei Nichtbanken, also den Bargeld-
umlauf, die Einlagen bei Banken und Geldmarktpapiere
mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren. Viel Geld im
Umlauf begünstigt nach Studien Kaufkraftverlust.
Kampf um stabile Preise. Auch wenn die
Gründe für die Inflation weltweit zu suchen sind, versucht
die Europäische Zentralbank (EZB), aggressiv gegen die
Geldentwertung in Europa vorzugehen. „Stabile Preise
sind der wichtigste Beitrag, den die Geldpolitik für nach-
haltiges Wachstum leisten kann“, sagt Madleen Petsch-
mann, Sprecherin bei der Deutschen Bundesbank. „Das
Hauptziel der Europäischen Zentralbank ist es daher, die
Preisstabilität im Interesse der Verbraucher und Unter-
nehmer in Europa sicherzustellen.“ Wenn die Preise dau-
erhaft über ein akzeptables Maß steigen, das die EZB bei
zwei Prozent sieht, besteht die Gefahr einer Lohn-Preis-
Spirale: Die Gewerkschaften fordern, wie zuletzt bei
Lufthansa, dass die Löhne der Geldentwertung angepasst
werden. Doch „übermäßige Lohnsteigerungen können
schnell zu Preissteigerungen führen“, so Petschmann,
denn höhere Personalkosten schlagen sich auf die Prei-
se der von den Unternehmen produzierten Produkte
nieder. Die Löhne müssten wieder angehoben werden
– ein brisanter Endlosprozess, der zur Hyperinflation
führt. In Deutschland war das 1923 der Fall – mit gra-
vierenden Folgen. Um dieser Gefahr zu entgehen, hat
die EZB kürzlich den Leitzins auf 4,25 Prozent erhöht.
Die Banken in Deutschland müssen nachziehen, was
sich wiederum auf die Unternehmen auswirkt, die we-
niger Kredite aufnehmen. Die Geldmenge, die im Umlauf
ist, sinkt, das Geld wird knapper. Das wirkt sich dämp-
fend auf die Inflation aus.
Die Konsumenten können auf die Inflation nur begrenzt
reagieren, indem sie ihre Nachfrage nach Produkten, die
besonders stark von der Teuerung betroffen sind, redu-
zieren. Das heißt etwa weniger Auto fahren und Ener-
giesparlampen verwenden. HSBC Trinkaus-Chefvolks-
wirt Schilbe glaubt jedoch nicht, dass es Grund gibt, sich
vor rapide steigender Inflation zu fürchten: „Wir rechnen
zwar damit, dass im Herbst durch die Gaspreiserhöhung
die Inflation noch einmal steigt und die EZB eventuell
den Leitzins auf 4,5 Prozent anhebt“, prognostiziert er.
„Ab dem nächsten Jahr wird die Teuerungsrate aber we-
niger stark ansteigen und in Europa schätzungsweise bei
2,5 statt der jetzigen 4,1 Prozent liegen.“
Geldmenge M3, Veränderung saisonbereinigt, Jahresrate, EWU
in Prozent
2000
4,9
2001
3,9
2002
7,9
2003
7,3
2004
6,5
2005
6,8
2006
7,5
2007
10,1
2008
11,5
Quelle: Deutsche Bundesbank
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