Nestroy - Der böse Geist Lumpazivagabundus.pdf

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Johann Nepomuk Nestroy
Der böse Geist Lumpazivagabundus
oder
Das liederliche Kleeblatt
Zauberposse mit Gesang in drei Akten
Erstaufführung am 11. April 1833
Personenverzeichnis
Stellaris , Feenkönig
Fortuna , Beherrscherin des Glücks, eine mächtige Fee
Brillantine , ihre Tochter
Amorosa , eine mächtige Fee, Beschützerin der wahren Liebe
Mystifax , ein alter Zauberer
Hilaris , sein Sohn
Fludribus , Sohn eines Magiers
Lumpazivagabundus , ein böser Geist
Leim , ein Tischlergesell
Zwirn , ein Schneidergesell
Knieriem , ein Schustergesell
Pantsch , Wirt und Herbergsvater in Ulm
Fassel , Oberknecht in einem Brauhause
Nannette , Tochter des Wirts
Die Kellnerinnen Sepherl und Hannerl
Ein Hausierer
Ein Tischlergesell
Strudl , Gastwirt »Zum Goldenen Nockerl« in Wien
Hobelmann , Tischlermeister in Wien
Peppi , seine Tochter
Anastasia Hobelmann , seine Nichte
Ein Fremder
Gertraud , Haushälterin in Hobelmanns Hause
Reserl , Magd daselbst
Hackauf , Fleischermeister in Prag
Ein Maler
Erster und zweiter Bedienter bei Zwirn
Erster und zweiter Gesell bei Zwirn
Herr von Windwachel
Herr von Lüftig
Signora Palpiti
Camilla und Laura , ihre Töchter
Wirt und Wirtin in einer Dorfschenke unweit Wien
Ein Reisender (Stellaris)
Zauberer, Magier und ihre Söhne, Nymphen und Genien, Gäste, Volk, Bauern,
Handwerksleute verschiedener Zünfte usw., usw.
Die Handlung spielt teils in Ulm, teils in Wien, teils in Prag, teils im Feenreich.
Erster Akt
Wolkenpalast des Feenkönigs
Erste Szene
Mehrere alte Zauberer und Magier , darunter Mystifax , treten auf und stellen sich im Halbkreis,
jeder führt einen erwachsenen Sohn an der Hand, darunter Hilaris und Fludribus . - Stellaris sitzt
auf dem Throne.
Chor der alten Zauberer
Wir werden euch schon Mores lehren,
Ihr liederlichen Bursche, ihr!
Was nun geschehn wird, sollt ihr hören,
Der Feenkönig richtet hier.
Ihr kehrt im nächsten Augenblick
Zur Ordnung wiederum zurück.
Stellaris Was versammelt euch so zahlreich an meines Wohnsitzes goldner Pforte? Was verlangt ihr
von mir?
Mystifax Mächtiger Beherrscher! Wir flehen um deine Hilfe. Es treibt sich ein böser Geist im
Zauberland herum.
Stellaris Wie heißt er?
Mystifax Lumpazivagabundus.
Stellaris Was tat euch dieser böse Geist?
Mystifax Er hat sich der Herzen unserer Söhne bemächtigt und sie vom Pfade der Ordnung gelockt.
Sie verabscheuen jetzt jede Beschäftigung, sie spielen, trinken, stürzen sich in tolle Liebesabenteuer
- mit einem Wort: sie sind verloren, wenn du den bösen Geist nicht bannst.
Stellaris Lumpazivagabundus, erscheine!
(Musik fällt ein. Lumpazivagabundus steigt im Vordergrunde aus der Versenkung.)
Zweite Szene
Die Vorigen ; Lumpazivagabundus . Später Fortuna , Brillantine und Nymphen
Lumpazivagabundus (nach der Musik) Da bin ich! Was steht zu Befehl?
Stellaris Du bist Lumpazivagabundus?
Lumpazivagabundus Der bin ich und zugleich Beherrscher des Lustigen Elends, Beschützer der
Spieler, Protektor der Trinker etc. etc.; kurzum, ich bin ein Geist aus 'n F.
Stellaris Verwegener, der du's wagtest, in das Feenreich zu dringen, ich verbanne dich von diesem
Augenblick auf ewige Zeit.
Lumpazivagabundus Ha, ha, ha, ha, ha! (Versinkt lachend.)
Stellaris (ehe Lumpazivagabundus noch ganz versunken ist) Halt!
Lumpazivagabundus (kommt wieder auf der Versenkung in die Höhe) Haben mir Eu'r Herrlichkeit
noch was zu sagen?
Stellaris Du hast meinen Urteilsspruch mit Hohngelächter erwidert?
Lumpazivagabundus Natürlich, weil er nichts nutzt. Ob ich da bin oder nicht, diese jungen Herren
bleiben auf alle Fäll' meine getreuen Anhänger; denn meine Grundsätze leben in ihnen fort.
Stellaris (zu den Söhnen) Wie? Ihr seid nicht ernstlich entschlossen, zur Ordnung zurückzukehren?
Fludribus ( vortretend ) Ich nehme im Namen meiner Kameraden das Wort. Wir haben den größten
Teil unseres Vermögens durchgebracht, ob wir das Restel haben oder nicht, das ist uns gleichviel;
darum wollen wir das auch noch verjuxen.
Alle Söhne Ja, wir wollen es verjuxen.
Die Väter Entsetzlich!
Stellaris Und wenn ihr nichts mehr habt, was dann?
Fludribus Dann machen wir Schulden.
Die Söhne Wir machen Schulden!
Stellaris Und wenn ihr nicht bezahlen könnt, was dann?
Fludribus Dann lassen wir uns einsperren.
Die Söhne Ja, Ja, wir lassen uns einsperren.
Fludribus Da gibt sich hernach die Ordnung von selbst.
Lumpazivagabundus (sich triumphierend die Hände reibend) Das sind meine Grundsätze.
Mystifax (zu Stellaris) Was sagen Euer Herrlichkeit nun dazu?
Stellaris (zu den Söhnen) Wenn ihr aber wieder bekämet, was ihr liederlicherweise verpraßt habt,
würdet ihr dann ordentlich mit dem Eurigen haushalten?
Hilaris Der macht uns wieder reich.
Fludribus (zu Stellaris ) Ja, wenn wir wieder reich würden, würden wir auch wieder brav.
Die Söhne Ja, dann würden wir brav.
Stellaris Nun denn, Fortuna, nahe dich!
(Musik fällt ein. Mehrere Nymphen mit Füllhörnern treten auf, zuletzt Fortuna, ihr folgt ihre
Tochter Brillantine.)
Stellaris ( nach geendigter Musik ) Fortuna, diese jungen Männer haben ihr Vermögen vergeudet;
gib ihnen den verlornen Reichtum wieder.
Fortuna Beherrscher des Feenreiches! Befehlen lasse ich mir nichts, auch nicht von dir; doch weil
ich gerade guter Laune bin (zu Lumpazivagabundus) und dir, Elender, zum Trotze, mag es sein. (Zu
den Söhnen.) Ich schütte mein Füllhorn über euch.
Die Söhne Tausend Dank!
Lumpazivagabundus Ha, ha, ha, das ist zum Totlachen! Durch die Fortuna will der mir meine
Anhänger entreißen! Da werden grad noch ärgere Lumpen draus.
Hilaris Ich will aufrichtig sein; Reichtum wird mich nie bessern.
Mystifax Wie!? Was!? Mein Sohn, du wärst der Inkurabelste von allen?
Hilaris Nur ein Mittel gibt's, das mich festhalten wird auf dem Pfade der Tugend, es ist
Brillantinens Hand.
Alle Was?
Hilaris Wir lieben uns.
Fortuna (entrüstet) Tochter!
Brillantine Verzeihung, Mutter!
Lumpazivagabundus (auf Hilaris zeigend) Den geb' ich auf; die anderen alle aber sind und bleiben
in meiner Macht.
Stellaris Warum, Unhold?
Lumpazivagabundus Weil die Fee Fortuna nicht imstande ist, mir einen Anhänger abwendig zu
machen; aber der (auf Hilaris zeigend) - der steht unter dem Schutz meiner größten Feindin, die
mich einzig und allein überall vertreibt.
Fortuna ( stolz ) Wer ist die Fee, die mächtiger ist als ich?
Lumpazivagabundus Amorosa ist's, die Beschützerin der wahren Liebe.
Stellaris Amorosa! (Musik fällt ein, Amorosa schwebt in einer lichten Wolke mit zwei Genien
hernieder.)
Lumpazivagabundus Sie naht schon, die Mächtige, die mir oft meine fidelsten Brüderln entreißt! -
Jetzt empfehl' ich mich! Aber noch einmal, Madame Fortuna, Sie fürcht' ich nicht; denn was meine
wahren Anhänger sind, die machen sich nicht so viel aus Ihnen. Kommt 's Glück einmal, so werfen
sie's beim Fenster hinaus, und kommt's zum zweitenmal und will sich ihnen aufdringen auf eine
dauerhafte Art, so treten sie's mit Füßen. - So behandeln meine echten Brüderln das Glück! -
Gehorsamer Diener allerseits. (Tritt auf die Versenkung und versinkt unter Musik.)
Dritte Szene
Die Vorigen ohne Lumpazivagabundus . Amorosa
Amorosa (Hilaris und Brillantinen an der Hand lassend und sich Fortuna nähernd) Fortuna! Ich
vereine meine Bitte mit dem Flehen dieser beiden, beselige durch günstigen Ausspruch zwei
Herzen, die sich der wahren Liebe geweiht.
Fortuna (zu Amorosa) Wie, Törichte, du hoffst, ich werde mich deinem Wunsche fügen, in einem
Augenblick, wo eben ein frecher Unhold zu deinen Gunsten mich erniedrigte und du mit stolzem
Blick auf mich herniedersiehst? Ich zerreiße das Band, das du um diese Herzen geschlungen.
Brillantine und Hilaris Weh' uns!
Stellaris Halt ein, bedenk' erst, was du sprichst. Des Feenreiches unumstößliche Gesetze erlauben
dir nicht, Hilaris' Antrag unbedingt zu verwerfen; nur eine schwere Bedingung festzusetzen, deren
Erfüllung die Liebenden trennt, deren Nichterfüllung aber sie auf immer vereint, nur dies ist dir
gestattet.
Fortuna Nun, denn, so sei's! Ich will eine Bedingung setzen, die zugleich jenem Frechen, der
meine Macht verspottet und glaubt, nur du (zu Amorosa) allein sei'st ihm gefährlich, das Gegenteil
beweisen soll. - Ich wähle unter den Sterblichen drei seiner Anhänger, lockere Gesellen, jedoch nur
solche, welche schon der Armut drückend Los gefühlt. Diese will ich mit Reichtum überschütten;
werfen sie, wie er gesagt, das Glück zum Fenster hinaus, so dringe ich es ihnen zum zweiten Male
wieder auf; treten sie es dann mit Füßen, so erkenne ich mich als besiegt, und Hilaris werde meiner
Tochter Gemahl; doch, wenn sie, wie kaum zu zweifeln ist, das Glück mit Dank empfangen und aus
Furcht vor neuer Dürftigkeit mit weiser Mäßigung es sich fürs ganze Leben bewahren und ich sie so
dem Lumpazivagabundus entreiße, dann bin ich Siegerin, und Hilaris werde auf immer von meiner
Tochter getrennt.
Stellaris Wohlan! Nur eines hab' ich noch hinzuzufügen, es gilt für beide Teile gleich. - Gelingt es
dir, dem Lumpazivagabundus von den drei lockeren Gesellen auch nur zwei zu entreißen, so hast du
schon gewonnen; treten hingegen auch nur zwei von ihnen das Glück mit Füßen, so hast du
verloren. Dies beschwöre hier vor meinem Thron.
Fortuna (geht an die Stufen des Thrones und erhebt die Hand zum Schwur) Ich schwöre!
(Drei kurze starke Akkorde.)
Stellaris Dein Schwur ist angenommen.
Mystifax (zu Amorosa) Und für die andern verlornen Söhne hier ist keine Rettung aus den Krallen
des Lumpazivagabundus zu hoffen?
Amorosa Nicht eher, als bis wahre Liebe in ihren Herzen Eingang gefunden.
Hilaris (Brillantinen umarmend) So leb' denn wohl auf ewig! Unmöglich kann die Bedingung zu
unserm Besten sich erfüllen.
Amorosa Verzweifelt nicht, baut auf die Beschützerin wahrer Liebe. (Sie besteigt ihren
Wolkenwagen. Kurze Musik fällt ein, alle ziehen sich zurück.)
Chor
So ist in dunkler Zukunft Schoß
Verborgen unsrer Söhne Los.
(Mit den letzten Worten des Chores fällt die nächste Dekoration vor.)
Verwandlung
Kurze freie Gegend, die Landstraße vorstellend, links eine hölzerne Bank unter einem Meilenzeiger
Vierte Szene
Leim , dann Knieriem , dann Zwirn
Leim (mit einem Felleisen, tritt gleich nach der Verwandlung auf) Da wär' ich beim Tor. Das is aber,
so viel ich merk', eine ungefällige Stadt, denn wenn 's gefällig wär', so wär' s' mir auf halbem Weg
entgegengekommen. Im Grund betracht't, ist's a Schand', ich bin ein ausgelernter Tischler, und es
gehn mir ordentlich d'Füß' aus 'n Leim. Ist's denn aber auch anders möglich? Die Wirt' auf der
Straßen haben ja Herzen so hart als ein Ast in ein' buchsbaumenen Pfosten. Woher kommt das aber?
Weil die Leut' keine Bildung haben auf'n Land. Und warum haben s' auf 'n Land keine Bildung?
Weil s' lauter eichene Möbel haben, drum kennt das Volk keine Politur; und wer keine Politur kennt,
ist ein Socius. Jetzt will ich halt ein bisserl ausrasten da und nachher um d'Herberg' frag'n. (Setzt
sich auf die Bank. Das Ritornell des folgenden Liedes beginnt.)
Knieriem (ein Ränzchen auf dem Rücken, tritt auf)
Es kommen d'Stern', es wird schon spat,
Zeit is, daß s' einmal da is, d'Stadt,
Ich brauch' ein' Guld'n jetzt zum Verhau'n,
Da muß i gleich zum Fechten schau'n.
Und wie i ein' Gulden z'samm'bettelt hab',
Da laßt's mir drei Maß Bier hinab,
A drei Maß Bier laßt's mir hinab.
Mein' Rausch hab' i jahraus, jahrein,
Es wird doch heut' kein' Ausnahm' sein.
(Er setzt sich auf die Bank rechts. Die Musik verändert sich.)
(Zwirn tritt von derselben Seite ein, abgeschaben, aber dennoch so viel wie möglich geputzt, und
trägt ebenfalls den Wanderbündel auf dem Rücken.)
Zwirn (äußerst lustig)
Zgłoś jeśli naruszono regulamin