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M104
Technikgeschichte
Innovationsprozesse
Sechszylinder-Reihenmotor M104
von Mercedes-Benz – ein Ausschnitt seines
Innovationsprozesses
Teil 1
Von Hans Seifert
Auch ein Motor, der sich bereits in der Serienfertigung befindet, er-
fährt technische Modifikationen. Im folgenden sollen diese am Bei-
spiel des Mercedes-Benz-Sechszylinder-Reihenmotors M104 aufge-
zeigt werden. Die Neuerungen betreffen die Optimierung des An-
saugtaktes dieses Motors. Durch die Einführung der Schwingsaug-
rohraufladung in Verbindung mit der Resonanzsaugrohraufladung,
der Vierventiltechnik und der Nockenwellenverstellung konnte der
Liefergrad erhöht werden. Der M104 wurde in zwei Stufen aus dem
Zweiventilmotor M103 entwickelt. Die Anforderungen an die Ent-
wicklungsstufen waren unterschiedlich. Zunächst sollte die Lei-
stung erhöht werden. Später sollten großes Drehmoment und ho-
her Mitteldruck im unteren und mittleren Drehzahlbereich bei glei-
cher Leistung erzielt werden. Gleichzeitig traten ökologische Ziele
in den Vordergrund. Der M104 wurde bis zum Frühjahr 1997 im Mo-
dell E 320 eingesetzt. Der zweite Teil des Berichts folgt in der MTZ
2/98, der dritte Teil in MTZ 3/98.
1 Einleitung
2 Einführung in eine allgemein-
gültige Innovationsstrategie
Danach läßt sich ein technischer Innova-
tionsprozeß grob in folgende fünf Arbeits-
schritte einteilen:
Dieser Bericht folgt nicht dem gängigen Mu-
ster, nur die Ergebnisse bestimmter Ent-
wicklungsabschnitte zu beschreiben und zu
kommentieren. Es wird der Versuch unter-
nommen, die Gedankengänge des Entwick-
lungsingenieurs nachzuvollziehen, die zu
neuen Erkenntnissen führten und durch ih-
re Umsetzung schließlich den Motor vor-
wiegend in seinem Leistungs- und Drehmo-
mentverhalten verbessert haben.
Technische Innovation bedeutet die Er-
neuerung oder Verbesserung technischer
Produkte unter Anwendung neuer Ideen und
Techniken. Für den Ingenieur als dem ei-
gentlichen Verantwortlichen für die Durch-
führung von Innovationen muß diese Aus-
sage zu allgemein sein. Für ihn ist der dy-
namische Entwicklungsprozeß, der jeder In-
novation zugrundeliegt, wichtiger.
1. Am Anfang der hier betrachteten Inno-
vationen steht eine klar formulierte Auf-
gabenstellung. Ihr Inhalt bezieht sich auf
die Realisierung erweiterter Anforde-
rungen an ein bereits bestehendes Pro-
dukt. Die neuen Anforderungen können
sich aus der Zwangslage des Unterneh-
mens ergeben, ohne deren Realisierung
nicht mehr konkurrenzfähig zu sein oder
Marktführer zu bleiben oder zu werden.
Die Anforderungen sollten so hoch wie
möglich gesetzt werden, auch wenn da-
mit Zielkonflikte vorprogrammiert sind.
Auf das Entwicklungsteam wird so ein
großer Druck ausgeübt. Dadurch wird je-
doch das zur Verfügung stehende Ent-
wicklungspotential erweitert. Die beiden
folgenden folgenden Arbeitsschritte sind
vor dem Hintergrund zu sehen, daß für
jede neue technische Funktion zunächst
eine physikalische Begründung gefunden
werden muß. Sie ist der Ausgangspunkt
der technischen Realisierung dieser Funk-
tion.
Dabei wird angenommen, daß diese Ge-
dankengänge einer Innovationsstrategie ge-
folgt sind. Ihre Berücksichtigung hat erstens
den Vorteil, daß sie eine objektive Leitlinie
für den Entwicklungsingenieur ist, der sich
bei der Bearbeitung von Syntheseproble-
men, wie sie bei technischen Innovationen
im Vordergrund stehen, unsicher fühlt. Zwei-
tens ergibt sich eine geordnete und logische
Gliederung.
Dieser Prozeß beginnt an einem Ausgangs-
punkt mit der Erarbeitung der Aufgaben-
stellung und prägt sich immer differenzier-
ter aus, bis das gesteckte Ziel erreicht ist,
wenn er erfolgreich verlaufen ist.
Im Mittelpunkt stehen Denkvorgänge des
Entwicklungsingenieurs oder eines ganzen
Entwicklungsteams, die sich bei der Lö-
sungssuche im Kern nach der These richten
müssen, daß sich alle technischen Lösungen
oder Funktionen auf physikalische oder an-
dere naturwissenschaftliche Vorgänge
zurückführen und durch die Gesetze ihrer
Phänomene begründen lassen.
Die Denkabläufe sind abstrahierend orien-
tiert, wenn sie der Analyse folgen und de-
terminierend, wenn sie die Synthese betref-
fen [2].
54
MTZ Motortechnische Zeitschrift 59 (1998) 1
Technikgeschichte
Innovationsprozesse
2. Der Innovationsprozeß, der aufgrund der
Aufgabenstellung eingeleitet werden
muß, besteht zunächst aus einer Analy-
se. Dabei ist der aktuelle technische Stand
des Produktes festzuschreiben. Insbe-
sondere muß die für den Ablauf des In-
novationsprozesses wichtige Frage un-
tersucht werden, welche physikalischen
Abläufe das augenblickliche funktionale
Geschehen des Produktes bestimmen.
Das Ergebnis ist eine Abstraktion des rea-
len Produktes. Es ist sein aktuelles phy-
sikalisches Modell und leitet sich im Ide-
alfall von den Merkmalen ab, die inhalt-
lich zu den Gesetzen einer physikalischen
Theorie gehören. Das physikalische Mo-
dell soll das wahre physikalische Ge-
schehen, das sich in einem technischen
Wirkraum abspielt, so genau wie möglich
beschreiben. Fehlen Merkmale durch ei-
ne unzureichende Theorie, werden unter
Umständen wichtige Erkenntnisse ver-
hindert.
oder neues physikalisches Modell ge-
wonnen. Es ist das Modell des verbesser-
ten Produktes, das jetzt als Grundlage für
die Erarbeitung eines endgültigen kon-
struktiven Entwurfes dient. Erste geo-
metrische Konturen sind durch den Wirk-
raum des Modells bereits vorgegeben. Der
fünfte Schritt ist wie der dritte Schritt ei-
ne Synthese. Während seines Ablaufes
sind die Merkmale zu entdecken, die das
Produkt umfassend funktionstüchtig, fer-
tigungs- und montagereif, letztlich ko-
sten- und damit verkaufsoptimal gestal-
ten. Dieser Gestaltungsprozeß ist ähnlich
problembehaftet wie die Suche nach dem
aktuellen physikalischen Modell.
300E-24 im Mittelpunkt. Seine wichtigsten
Kenndaten, als Ergebnis des ersten Teils des
Innovationsprozesses, sind in der
Tabelle
zu-
sammengefaßt und denen seines Vorgän-
gers gegenübergestellt.
In der zweiten Entwicklungsstufe wird das
erste Anforderungsprofil zum Teil wieder
zurückgenommen. Ökologisch orientierte
Anforderungen treten in den Vordergrund.
Sie bedeuten die Abkehr von der rein lei-
stungsorientierten Motorenentwicklung. Es
geht jetzt verstärkt um die Minderung des
Geräuschpegels, Senkung des Brennstoff-
verbrauches, weniger Gewicht, geringere
Schadstoffemission und Schonung der Werk-
stoffressourcen durch Reduzierung der Rei-
bung. Die Maßnahmen, die dazu durchge-
führt werden, sind vielfältig. Am besten ge-
eignet ist die Reduzierung der Nenndreh-
zahl, weil diese Maßnahme kostengünstig
ist und allen Forderungen gerecht wird. Wie
die Tabelle zeigt, wird beim Motor M104 für
das Modell 320E die Nenndrehzahl von
6300/min auf 5500/min zurückgenommen,
die Nennleistung von 162 kW jedoch beibe-
halten. Es wird zusätzlich die maximale Aus-
nutzung des motorischen Kräftepotentials,
also möglichst hohes Drehmoment Md und
hoher Mitteldruck pe, im mittleren und un-
teren Drehzahlbereich verlangt. Ihre prakti-
sche Umsetzung, auf das Fahrzeug bezogen,
bedeutet eine höhere Beschleunigung aus
den unteren Drehzahlen heraus.
Diese Innovationsstrategie ist nicht nur auf
komplexe Entwicklungsprozesse wie die
Modifikation des Mercedes-Benz-Motors an-
wendbar. Auch einfache Produkte lassen
sich dadurch verbessern. Allen Anwen-
dungsfällen ist jedoch gemeinsam, daß ihre
Bearbeitung der gleichen Strategie folgt.
3. Der dritte Arbeitsschritt ist der erste Syn-
theseschritt des Entwicklungsprozesses.
Es setzt ein synthetischer Denkprozeß
ein. Dabei werden physikalische Begrün-
dungen für die geforderten Produktver-
besserungen gesucht. Erste Überlegun-
gen können, aufbauend auf den Erfah-
rungen, die aufgrund der Bearbeitung des
aktuellen physikalischen Modells erwor-
ben wurden oder bereits vorhanden sind,
zu folgenden Erkenntnissen führen:
– Die allgemeine Formulierung des ak-
tuellen Modells reicht aus, um durch
eine erweiterte Auswertung der Bezie-
hungen, in denen die maßgebenden
physikalischen Zustandsgrößen ste-
hen, aufgrund logischer Folgerungen
die geforderten Neuerungen zu ge-
winnen.
– Zur Erfüllung einer zusätzlichen Funk-
tion ist eine Erweiterung des Modells
durch weitere physikalische Phä-
nomene erforderlich. Das Entdecken
dieser Phänomene und ihre Assoziati-
on [3] mit der Problemstellung ist eine
Ingenieurleistung mit hoher Kreati-
vität, die den Erfolg einer Innovation
im wesentlichen bestimmt.
3 Die Entwicklungsstufen des
Mercedes-Benz-Motors M104
Der Innovationsprozeß des Motors M104
umfaßt, ausgehend von dem Vorgängermo-
tor M103, zwei Entwicklungsstufen mit je-
weils unterschiedlichen Anforderungspro-
filen. Bei der ersten Stufe steht die Entwick-
lung des M104 für das Automobilmodell
Tabelle: Merkmale der Entwicklungsstufen der Mercedes-Benz-Motors M104
Table: Characteristics of the developmental steps of the Mercedes-Benz-engine M104
Motor M103
Motor M104 (E-Klasse)
Vorgänger
1. Entwicklungsstufe
2. Entwicklungsstufe
des M104
Motortyp
M103 (300E)
M104 (300E-24)
M104 (320E)
(Einführung)
(Frühjahr 1985)
(Frühjahr 1989)
(Herbst 1992)
Hubraum V
H
3 dm
3
3 dm
3
3,2 dm
3
Hub s
80,2 mm
80,2 mm
84 mm
Bohrung d
88,5 mm
88,5 mm
89,9 mm
Einlaßventil-Ø
43 mm (1x)
35 mm (2x)
35 mm (2x)
Auslaßventil-Ø
39 mm (1x)
31 mm (2x)
31 mm (2x)
– verbess. Schwing-
– verbess. Schwing-
rohraufladung
rohraufladung
4. Verbesserungsvorschläge müssen in ei-
nem weiteren Analyseschritt durch theo-
retische Simulationen oder durch Expe-
rimente überprüft werden. Zeigen die
Verbesserungsvorschläge Schwächen,
muß der dritte Arbeitsschritt erneut voll-
zogen werden.
Innovationen
– vier Ventile
– vier Ventile
– Nockenwellenverst.
– Nockenwellenverst.
– Resonanzrohrauflad.
Nennleistung P
n
132 kW
162 kW
162 kW
bei Drehzahl n
5700/min
6300/min
5500/min
max. Drehmoment M
d
255 Nm
265 Nm
310 Nm
bei Drehzahl n
4400/min
4600/min
3750/min
5. Wird der vierte Arbeitsschritt erfolgreich
abgeschlossen, hat man ein erweitertes
max. Mitteldruck p
e
10,8 bar
11,2 bar
12,2 bar
bei Drehzahl n
4400/min
4600/min
3750/min
MTZ Motortechnische Zeitschrift 59 (1998) 1
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Technikgeschichte
Innovationsprozesse
Der Innovationsprozeß des M104 folgt den
Arbeitsschritten der Innovationsstrategie. Er
beginnt mit der Analyse des technischen
Standes des Vorgängermotors M103 [4]. Eine
umfassende Analyse wäre zu aufwendig. Es
genügt ein physikalisches Teilmodell auf-
zustellen, um daraus stufenweise vier Inno-
vationen, die Schwing-saugrohraufladung,
die Vierventiltechnik, die Nockenwellenver-
stellung und die Resonanzsaugrohraufla-
dung abzuleiten. Das Teilmodell ist das phy-
sikalische Modell des Ansaugtaktes, das sich
als der entscheidende Träger der Innovatio-
nen herausstellt.
mensionalen instationären Gasdynamik
schafft die Voraussetzung zur Realisierung
der Drehmoment- und Mitteldrucker-
höhung.
3.1.1 Aufbau des Motors
steht im Zünd-OT am Ende des Kompres-
sionshubes. Seine weiteren Triebwerksteile,
die Pleuelstange (12) und erste Kröpfung (13)
der Kurbelwelle, sind gut zu erkennen. Die
Kurbelwelle trägt rechts das Schwungrad (14)
und links das Kettenrad (15). Letzteres ist über
eine Rollenkette mit dem Kettenrad (16) auf
der Nockenwelle verbunden. Das zweite Ket-
tenrad (17) auf der Kurbelwelle gehört zum
Antrieb der Ölpumpe.
3.1.2 Motorische Kenngrößen
Bild 1
zeigt einen Längs- und Querschnitt des
Motors M103. Der dargestellte Querschnitt
verläuft durch den ersten Zylinder. An den
Zylinder schließt ein langgezogenes
Schwingsaugrohr (1) an. Das Schwingsaug-
rohr mit schräg eingesetztem Einspritzven-
til (2) legt zusammen mit dem Einlaßventil
(3) und Kolben (4) die Einströmcharakteri-
stik des Frischgases in den Zylinder fest. Die
Schwingsaugrohre aller sechs Zylinder mün-
den in einen Verteilerbehälter (5), der in sei-
ner Mitte eine nach oben führende An-
saugleitung (6) besitzt. An deren Ende sitzt
ein großflächiger Luftfilter (7). Im Innern der
Ansaugleitung befindet sich an unterer Stel-
le die Drosselklappe. Auslaßventil (8), Aus-
laßkanal des Zylinderkopfes und Auslaß-
krümmer (9) realisieren den Ausströmvor-
gang des Abgases. Einlaß- und Auslaßventil
werden durch je einen Nocken der Nocken-
welle (10) über Kipphebel (11) geöffnet und
geschlossen. Der Kolben des ersten Zylinders
Damit die motorischen Kenngrößen logisch
zugeordnet werden können, muß ein Teil-
ausschnitt des physikalischen Geschehens
im Motor näher betrachtet werden. Dabei
wird vom Konkreten zum Abstrakten über-
gegangen. Aufgedeckt werden soll das phy-
sikalische Modell des Ansaugtaktes. Dadurch
können die Gründe gefunden werden, die zu
den Innovationen geführt haben.
3.1 Analyse:
Technischer Stand des Motors
Zur Teilanalyse des Motors M103 wird von
den wichtigsten Bauteilen ausgegangen und
davon das physikalische Modell des An-
saugtaktes abstrahiert. Theoretische Grund-
lage des Teilmodells sind nicht allein die Ge-
setze der Thermodynamik, weil sie zu all-
gemein formuliert sind, um das wirkliche
Geschehen des Ansaugtaktes so genau zu
beschreiben. Erst die Ergänzung der theore-
tischen Basis durch die Gesetze der eindi-
Bevor mit der Erarbeitung des Modells be-
gonnen wird, ist der Ansaugtakt zunächst in
seinen motorischen Zusammenhang zu stel-
len. Mathematische Beziehungen beschrän-
ken sich auf die Angabe einfacher Abhän-
gigkeiten physikalischer Größen. Die Funk-
Bild 1: Längs- und Querschnitt des Sechszylinder-Motors M103 (300E)
1 Schwingsaugrohr, 2 Einspritzventil, 3 Einlaßventil, 4 Kolben, 5 Verteilerbehälter, 6 Ansaugleitung, 7 Luftfilter, 8 Auslaßventil, 9 Auslaßkrümmer,
10 Nockenwelle, 11 Kipphebel, 12 Pleuelstange, 13 erste Kröpfung der Kurbelwelle, 14 Schwungrad, 15 Kettenrad (Antrieb Kettenrad auf Nocken-
welle), 17 Kettenrad (Antrieb Ölpumpe)
Fig. 1: Longitudinal and cross-section of the six-cylinder engine M103 (300E)
1 ram manifold, 2 injection valve, 3 intake valve, 4 piston, 5 plenum chamber, 6 intake manifold, 7 air cleaner, 8 exhaust valve, 9 exhaust manifold,
10 camshaft, 11 rocker arm, 12 connecting rod, 13 first throw of the crankshaft, 14 flywheel, 5 sprocket wheel, 16 sprocket on camshaft, 17 sprocket (oil
pump drive)
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MTZ Motortechnische Zeitschrift 59 (1998) 1
Technikgeschichte
Innovationsprozesse
Bild 2: Kenn-
linie P
e
= f(n)
und M
d
= f(n)
des Motors
M103 (300E) bei
Vollast
Fig. 2: Character-
istic curves P
e
f(n) and M
d
=
f(n) of the en-
gine M103 (300E)
at full load
die zu diesem Mitteldruck gehört, wirkt als
Aktionskraft und leistet dann die gleiche Ar-
beit wie das äußere Drehmoment M
d
während zweier Kurbelwellenumdrehun-
gen. Liegt also das Drehmoment M
d
durch
Messung vor und ist der Hubraum V
H
gege-
ben, so läßt sich p
e
berechnen. Der in
Bild 3
eingetragene Mitteldruckverlauf des Motors
M103 bei Vollast ist auf diese Weise be-
stimmt worden.
Andererseits läßt sich der Mitteldruck auch
aus einer Integralbeziehung, in der der wah-
re Verlauf des Zylinderdruckes p
z
über dem
ganzen Arbeitsspiel berücksichtigt wird, ab-
leiten. Allerdings muß von diesem Mittel-
wert noch der Reibungsdruck p
R
abgezogen
werden, um p
e
zu erhalten. Daraus ist der
Schluß zu ziehen, daß der Mitteldruck p
e
und
nicht das Drehmoment M
d
die zutreffende
Größe ist, wenn es um die Beurteilung der
Kraftentfaltung des Motors geht, da nur er
in unmittelbarer Beziehung zum realen Zy-
linderdruckverlauf steht.
tion eines Fahrzeug-Ottomotors ist die Um-
setzung des zugeführten Brennstoffes in
Wärme und schließlich in mechanische An-
triebsenergie mit möglichst hohem Wir-
kungsgrad. Wie gut sie ausgeführt wird, läßt
sich durch Kenngrößen quantitativ beurtei-
len. Die Nutzleistung P
e
und das Drehmo-
ment M
d
kennzeichnen die Funktion des Ot-
tomotors unmittelbar. Für den Viertaktmo-
tor gilt zwischen den Größen P
e
und M
d
die
Größengleichung
(2)
Eine erste wichtige Schlußfolgerung läßt
sich bereits jetzt für die erste Stufe der Wei-
terentwicklung des M103 ziehen. Die Forde-
rung, seine Nennleistung von 132 kW bei
5700/min auf 162 kW bei 6300/min zu er-
höhen, gelingt nur, wenn ein Drehmoment
von M
d
= 243 Nm bei einer Drehzahl von
6300/min bereitgestellt wird. Da eine Ver-
größerung des Hubvolumens ausgeschlos-
sen bleibt, muß versucht werden, den Mit-
teldruck auf 10,4 bar zu erhöhen. Das be-
deutet gegenüber dem bisher erreichten p
e
von 8,25 bar bei 6300/min eine Erhöhung
um 26 %. Die Lösung dieses Problems gelingt,
wenn zunächst in einer weiteren Abstrakti-
Dabei steht z für die Anzahl der Zylinder, V
h
für das Volumen eines einzelnen Zylinders.
Die wichtigste Kenngröße ist p
e
. Sie ist al-
lerdings nur eine rechnerische und keine
physikalische Größe. p
e
läßt sich als der Zy-
linderdruck deuten, der mit konstanter
Größe auf die Kolbenfläche während eines
Kolbenhubes s des vier Takte umfassenden
Arbeitsspieles wirkt. Die konstante Gaskraft,
(1)
Dabei ist n die Drehzahl der Kurbelwelle in
der Zeiteinheit. 2
πn ist ihre Winkelge-
schwindigkeit und gibt die vollen Winkel-
umdrehungen 2π eines Kurbelzapfens in der
Zeiteinheit an. Die Kennlinien p
e
=f(n) und
M
d
=f(n) des Motors M103 bei Vollast sind in
Bild 2
dargestellt. Besonders herausgestellt
sind die Nennleistung P
n
und das maxima-
le Drehmoment M
dmax
. Sie wurden durch
Prüfstandsmessungen ermittelt.
Durch schrittweise Abstraktion des Begrif-
fes Drehmoment wird ein erster Eindruck
von dem komplexen physikalischen Hin-
tergrund vermittelt, auf den sich das moto-
rische Funktionsergebnis in Bild 2 zurück-
führen läßt. Zunächst ist das Drehmoment
M
d
direkt proportional zum Gesamthu-
braum des Motors und dem effektiven Mit-
teldruck p
e
. Die entsprechende Größenglei-
chung lautet
Bild 3: Kennlinie p
e
= f(n) des Motors M103 (300E) bei Vollast
Fig. 3: Characteristic curves p
e
f(n) of the engine M103 (300E) at full load
MTZ Motortechnische Zeitschrift 59 (1998) 1
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Technikgeschichte
Innovationsprozesse
onsstufe die speziellen Größen festgestellt
werden, von denen der Mitteldruck abhängt.
Diese sind der Liefergrad λ
l
, der innere Wir-
kungsgrad η
i
, der mechanische Wirkungs-
grad η
m
, die Dichte ρ
o
der angesaugten Luft
bei genormtem Außenbedingungen und der
Gemischheizwert H
G
.
ihren Umgebungszustand auf dem Weg
über die Einlaßkanäle in den Zylinder bei-
behalten könnte. Die Masse m
L
ist jedoch am
Ende des Ansaugtaktes in der Regel geringer
als die Masse m
L0
. Schuld daran sind die Er-
wärmung der eingeströmten Luft im Zylin-
der und im Ansaugkanal sowie die Druck-
verluste, die vor allem beim Durchfluß der
Luft durch das enge Einlaßventil entstehen.
Höhere Temperatur und niedrigerer Druck
der angesaugten Luft haben bei selbstan-
saugenden Motoren zur Folge, daß der Lie-
fergrad im allgemeinen kleiner eins ausfällt.
Dank der Verbesserungen ist es gelungen,
den Liefergrad auf Spitzenwerte größer eins
zu bringen und in der Serienfertigung ein-
zuhalten, obwohl die eingespritzte Kraft-
stoffmasse ebenfalls ihren Teil am Hubvo-
lumen beansprucht. Dieser ist jedoch gering.
Dieser Zusammenhang läßt sich in Form ei-
ner einfachen Größengleichung schreiben:
Bild 4: Instationärer Einströmvorgang durch
das Einlaßventil
Fig. 4: Unsteady inflow through intake valve
(3)
Dies ist die Motorhauptgleichung und gibt
in übersichtlicher Form eine Orientierungs-
hilfe, wo anzusetzen ist, um den Mitteldruck
zu erhöhen. Es würde zu weit führen, alle
Faktoren dieser Gleichung in gleichem Um-
fang zu erläutern und ihre Bedeutung für ein
höheres p
e
herauszustellen. Da es hier in er-
ster Linie um die Begründung der vier In-
novationen geht, und alle vier zur Erhöhung
des Liefergrades λ
l
beitragen, soll nur dieser
ausführlicher besprochen werden.
konstanten R durch ihren Druck p und die
Temperatur T im Querschnitt A ersetzen, so
daß für Gl. (5) auch geschrieben werden
kann:
Im Nachhinein betrachtet, war es nicht all-
zu schwierig, diese Innovationen zu ver-
wirklichen, denn mit der instationären Gas-
dynamik steht eine Theorie zur Verfügung,
die es erlaubt, den wahren Ablauf des phy-
sikalischen Geschehens während des An-
saugtaktes recht genau zu beschreiben. Dar-
aus lassen sich sichere Erkenntnisse ablei-
ten, wie ein höherer Liefergrad und ein
größerer Mitteldruck erreicht werden kön-
nen.
3.1.3 Die physikalischen Basisgrößen des
Liefergrades
(6)
Dabei wird vorausgesetzt, daß dort die Strö-
mung eindimensional verläuft. Da im
Schwingsaugrohr der Massenstrom auch
vom Ort X abhängt, bestimmt m
x
(t) an einer
beliebigen Stelle X nicht die Masse m
L
, die
unmittelbar durch das Ventil in den Zylin-
der eintritt und den Liefergrad dort festlegt.
Dazu müssen die Funktionen u = u
xI
(t), p =
p
xI
(t) und T = T
xI
(t) unmittelbar vor dem Ven-
til an der Stelle X
I
bekannt sein, Bild 4. Die
Eindimensionalität der Strömung ist bei X
I
streng genommen nicht mehr erfüllt, da die
Drosselstrecke der Ventilströmung mit ihrer
ausgeprägten Ablöse- und Wirbelzone eine
Störstelle darstellt. Die Drosselstrecke wird
jedoch als beliebig kurz angenommen, so
daß eindimensional und instationär bis vor
das Einlaßventil, also bis an die Stelle X
I
, ge-
rechnet wird.
Dazu wird das Produkt η
i
· η
m
in Gl. (3) zum
Nutz-Wirkungsgrad η
e
zusammengefaßt.
Der Nutz-Wirkungsgrad ist, verglichen mit
dem Liefergrad, die wichtigere Größe, da er
mehr Einfluß auf die Mitteldruckerhöhung
hat, denn mit einem höheren Nutz-Wir-
kungsgrad ist nicht nur ein höherer Mittel-
druck, sondern auch eine Brennstoffver-
brauchssenkung verbunden. Gleiches läßt
sich vom Liefergrad nicht allgemeingültig
sagen. Selbstansaugende Ottomotoren er-
reichen Nutz-Wirkungsgrad-Bestwerte von
0,34 bei einem spezifischen Brennstoffver-
brauch von 250 g/kWh. Bei den Arbeiten zur
Erhöhung des Nutz-Wirkungsgrades steht
neben der Verbesserung des mechanischen
Wirkungsgrades die Optimierung des Ar-
beitstaktes im Mittelpunkt. Dies gestaltet
sich äußerst mühsam und zeitaufwendig, da
die theoretische Aufarbeitung der komple-
xen physikalischen und chemischen Abläu-
fe dieses Taktes noch nicht differenziert ge-
nug gelungen ist. Entwicklungsarbeiten er-
folgen daher überwiegend durch Versuche
(Methode des „trail and error“).
Bevor die besondere Analyse des M103 mit
Hilfe eines physikalischen Modells gelingt,
sind zunächst in einer letzten Abstrakti-
onstufe die physikalischen Basisgrößen, von
denen der Liefergrad und die Masse m
L
ab-
hängen, festzustellen. Es ist dann aber erst
ein kleiner, allerdings ausreichender Aus-
schnitt der physikalischen Grundlagen sicht-
bar gemacht, auf denen die motorischen
Funktionsgrößen Leistung und Drehmo-
ment beruhen.
Sind die gasdynamischen Zustandsgrößen
u, p und T in jedem Zeitpunkt des Ansaug-
taktes an der Stelle X
I
des Schwingrohres ge-
geben, so ist auch die zeitliche Abhängigkeit
des Massenstroms m
xI
(t) bekannt. Mit m
xI
(t)
ist die den Liefergrad bestimmende Luft-
masse m
L
mit folgender Gleichung festge-
legt:
Nach Schließen des Einlaßventils befindet
sich die Luftmasse m
L
als feste Größe im Zy-
linder. Sie hängt von dem Massenstrom ab,
der während der Öffnungszeit des Ein-
laßventils aus dem Schwingsaugrohr durch
das Einlaßventil in den Zylinder eintritt. Bei
instationärer Strömung bezeichnet m
x
(t) die
Masse, die in der Zeiteinheit durch den Quer-
schnitt A an der Stelle X eines glatten Roh-
res strömt,
Bild 4
. Mit der Teilchenge-
schwindigkeit u
x
(t), der Dichte ρ
x
(t) und dem
Querschnitt A ergibt sich folgende Gleichung
für den Massenstrom:
Bei der Optimierung des M104 steht jedoch
der Liefergrad im Mittelpunkt. Der Lieferg-
rad ist eine Verhältniszahl und gibt das Ver-
hältnis der Luftmasse m
L
, die vom Kolben
während des Ansaugtaktes angesaugt wird,
zur Masse m
L0
an:
·
(7)
Wegen der Abhängigkeit m
xI
von der Zeit t
muß eine Integration von m
xI
(t)
über dem In-
tervall [t
1
, t
2
] durchgeführt werden. Im Zeit-
punkt t
1
öffnet das Einlaßventil (EÖ), bei t
2
schließt es (ES).
(4)
·
(5)
V
h
· ρ
o
=
m
L0
ist die Luftmasse, die das Hub-
volumen aufnehmen würde, wenn die Luft
Viel wichtiger als der Ablauf des Integrati-
onsverfahrens ist die Feststellung, daß es auf
Die Dichte der Luft läßt sich mit der Gas-
58
MTZ Motortechnische Zeitschrift 59 (1998) 1
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