Die drei N�sse Clemens Brentano Daniel Wilhelm M�ller, Professor und Bibliothekar zu Altorf, lebte im Jahr 1665 in Kolmar als Hofmeister der drei S�hne des B�rgermeisters Maggi. Im Oktober dieses Jahres hatte der B�rgermeister einen reisenden Alchimisten zum Gaste, und als bei dem Nachtische der Abendmahlzeit unter anderm Obste auch welsche N�sse auf die Tafel gesetzt wurden, sprach die Gesellschaft mancherlei von den Eigenschaften dieser Frucht. Da aber die drei Z�glinge M�llers etwas unm��ig zu den N�ssen griffen und sie lustig nacheinander aufknackten, verwies M�ller es ihnen freundlich und gab ihnen folgenden Vers aus der Schola Salernitana zu verdeutschen auf: "Unica nux prodest, nocet altera, tertia mors est."--Da �bersetzten sie: "Eine Nu� n�tzt, die zweite schadet, der Tod ist die dritte." M�ller aber sagte zu ihnen, diese �bersetzung k�nne unm�glich die rechte sein, da sie die dritte Nu� l�ngst genossen und doch noch frisch und gesund seien; sie m�chten sich eines Bessern besinnen. Kaum waren diese Worte gesprochen, als der Alchimist mit Best�rzung pl�tzlich vom Tische aufsprang und sich in der ihm angewiesenen Stube verschlo�, wor�ber alle Anwesende in nicht geringer Verwunderung waren. Der j�ngste Sohn des B�rgermeisters folgte dem Fremden, um ihn auf Befehl seines Vaters zu fragen, ob ihm etwas zugesto�en sei; da er aber die T�re verschlossen fand, sah er durch das Schl�sselloch den Fremden auf den Knien liegen und unter Tr�nen und H�nderingen mehrere Male ausrufen: "Ah, mon Dieu, mon Dieu!" Kaum hatte der Knabe seinem Vater dies hinterbracht, als der Fremde sich von dem Diener zu einer einsamen Unterredung melden lie�. Alle entfernten sich. Da trat der Alchimist herein, fiel auf die Knie, umfa�te die F��e des B�rgermeisters und flehte ihn unter heftigen Tr�nen an: er m�ge ihn nicht vor Gericht bringen, er m�ge ihn vor einem schm�hlichen Tode erretten. Der B�rgermeister, heftig �ber seine Rede erschrocken, f�rchtete, der Mensch m�ge den Verstand verloren haben, hob ihn von der Erde auf und bat ihn freundlich: er m�ge ihm sagen, wie er auf so schreckliche Reden komme. Da erwiderte der Fremde: "Herr, verstellen Sie sich nicht, Sie und der Magister M�ller kennen mein Verbrechen; der Vers von den drei N�ssen beweist es: tertia mors est, die dritte ist der Tod; ja, ja, eine bleierne Kugel war es, ein Druck des Fingers, und er schlug nieder. Sie haben sich verabredet, mich zu peinigen, Sie werden mich ausliefern, ich werde durch Sie unter das Schwert kommen." Der B�rgermeister glaubte nun die Verr�cktheit des Alchimisten gewi� und suchte ihn durch freundliches Zureden zu beruhigen. Er aber lie� sich nicht beruhigen und sprach: "Wenn Sie es auch nicht wissen, so wei� es doch Ihr Hofmeister gewi�, denn er sah mich durchdringend an, als er sagte: �tertia mors est�." Nun konnte der B�rgermeister nichts anders tun, als ihn bitten, ruhig zu Bette zu gehen, und ihm sein Ehrenwort zu geben, da� weder er noch M�ller ihn verraten w�rden, wenn irgend etwas Wahres an seinem Ungl�cke sein sollte. Der Ungl�ckliche aber wollte ihn nicht eher verlassen, bis M�ller gerufen war und ihm auch heilig beteuerte, da� er ihn nicht verraten wolle; denn da� auch er nicht das mindeste von seinem Ungl�cke wisse, wollte er sich auf keine Weise �berreden lassen. Am folgenden Morgen entschlo� sich der Ungl�ckliche, von Kolmar nach Basel zu gehen, und bat den Magister M�ller um eine Empfehlung an einen Professor der Medizin. M�ller schrieb ihm einen Brief an den Doktor Bauhinus und reichte ihm denselben offen, damit er keine Art von Verdacht sch�pfen k�nne. Er verlie� das Haus mit Tr�nen und nochmaligem Flehen, ihn nicht zu verraten. Im folgenden Jahre um dieselbe Zeit, etwa drei Wochen sp�ter, als der B�rgermeister mit den Seinigen wieder N�sse a� und sie sich dabei alle lebhaft an den ungl�cklichen Alchimisten erinnerten, lie� sich eine Frau bei ihm melden. Er hie� sie hereintreten; sie war eine Reisende in anst�ndiger Tracht, sie trauerte und schien vom Kummer ganz zerst�rt, doch hatte sie noch Spuren von gro�er Sch�nheit. Der B�rgermeister bot ihr einen Stuhl an, stellte ihr ein Glas Wein und einige N�sse vor; aber sie geriet bei dem Anblick dieser Frucht in eine heftige Ersch�tterung, die Tr�nen liefen ihr die Wangen herab: "Keine N�sse, keine N�sse!" sagte sie und schob den Teller zur�ck. Diese ihre Weigerung, mit der Erinnerung an den Alchimisten, brachte unter den Tischgenossen eine eigene Spannung hervor. Der B�rgermeister befahl dem Diener, die N�sse sogleich wegzubringen, und bat die Frau, nach einer Entschuldigung, da� er ihren Abscheu vor den N�ssen nicht gekannt, um die Angabe des Gesch�ftes, das sie zu ihm gef�hrt. "Ich bin die Witwe eines Apothekers aus Lyon", sagte sie, "und w�nsche mich hier in Kolmar niederzulassen. Die traurigsten Schicksale n�tigen mich, meine Vaterstadt zu verlassen."--Der B�rgermeister fragte sie um ihre P�sse, auf da� er versichert sein k�nne, da� sie ihr Vaterland frei von allen gerichtlichen Anspr�chen auf sie verlassen habe. Sie �bergab ihre Papiere, die in der besten Ordnung waren und ihr den Namen der Witwe des Apothekers Pierre du Pont oder Petrus Pontanus gaben. Auch zeigte sie dem B�rgermeister mancherlei Atteste der medizinischen Fakult�t von Montpellier, da� sie im Besitz der Fabrikationsrezepte vieler trefflicher Arzeneien sei. Der B�rgermeister versprach ihr alle m�gliche Unterst�tzung bei ihrer Niederlassung und bat sie, ihm in sein Arbeitszimmer zu folgen, wo er ihr Empfehlungen an einige �rzte und Apotheker der Stadt schreiben wollte. Als er nun die Frau die Treppe hinauf f�hrte und oben �ber den Flur weg, kam dieselbe bei dem Anblick eines kindischen Gem�ldes in eine solche Best�rzung, da� der B�rgermeister f�rchtete, sie m�chte an seinem Arme ohnm�chtig werden; er brachte sie schnell auf seine Stube, und sie lie� sich unter bittern Tr�nen auf einen Stuhl nieder. Der B�rgermeister wu�te die Veranlassung ihrer Gem�tsbewegung nicht und fragte sie, was ihr fehle. Sie sagte ihm: "Mein Herr, woher kennen Sie mein Elend, wer hat das Bild an die Stubent�re geheftet, an welcher wir vor�bergingen?" Da erinnerte sich der B�rgermeister an das Bild und sagte ihr, da� es die Spielerei seines j�ngsten Sohnes sei, welcher eine Neigung habe, alle Ereignisse, die ihn n�her interessierten, in solchen Malereien auf seine Art zu verewigen. Das Bild aber bestand darin, da� der Knabe, welcher das Jahr vorher den Alchimisten kniend und die H�nde ringend in dieser Stube: "Ah, mon Dieu, mon Dieu!" hatte ausrufen h�ren, diesen in derselben Stellung und �ber ihn drei N�sse mit dem Spruche: "Unica nux prodest, nocet altera, tertia mors est!" auf eine Pappe gemalt und an die Stubent�re, wo der Alchimist gewohnt, befestigt hatte. "Wie kann Ihr Sohn das schreckliche Ungl�ck meines Mannes wissen?" sagte die Frau; "wie kann er wissen, was ich ewig verbergen m�chte, und weswegen ich mein Vaterland verlassen habe?" "Ihres Mannes?" erwiderte der verwunderte B�rgermeister; "ist der Chemiker Tod�nus Ihr Mann? Ich glaubte nach Ihrem Passe, da� Sie die Witwe des Apothekers Pierre du Pont aus Lyon seien." "Die bin ich", entgegnete die Fremde, "und der Abgebildete ist mein Mann, du Pont; mir zeigt es die Stellung, in welcher ich ihn zuletzt gesehen, mir zeigt es der fatale Spruch und die N�sse �ber ihm." Nun erz�hlte ihr der B�rgermeister den ganzen Vorfall mit dem Alchimisten in seinem Hause und fragte sie, wie er sich befinde, wenn er wirklich ihr Mann sei, der vielleicht unter fremdem Namen bei ihm gewesen w�re. "Mein Herr", erwiderte die Frau, "ich sehe wohl, das Schicksal selbst will, da� meine Schmach nicht soll verborgen bleiben; ich erwarte von Ihrer Rechtschaffenheit, da� Sie mein Ungl�ck nicht zu meinem Nachteil bekanntmachen werden. H�ren Sie mich an. Mein Mann, der Apotheker Pierre du Pont, war wohlhabend; er w�rde reich gewesen sein, wenn er nicht durch seine Neigung zur Alchimie vieles Geld verschwendet h�tte. Ich war jung und hatte das gro�e Ungl�ck, sehr sch�n zu sein. Ach, mein Herr, es gibt schier kein gr��eres Ungl�ck als dieses, weil keine Ruhe, kein Friede m�glich ist, weil alles nach einem verlangt und verzweifelt und man in solche Bedr�ngnisse und Belagerungen k�mmt, da� man sich manchmal gar, nur um des ekelhaften G�tzendienstes los zu werden, dem Verderben hingeben k�nnte. Eitel war ich nicht, nur ungl�cklich; denn ich mochte mich auch absichtlich schlecht und entstellend kleiden, so wurde doch immer eine neue Mode daraus, und man fand es allerliebst. Wo ich ging und stand, war ich von Verehrern umgeben, ich konnte vor Serenaden nicht schlafen, mu�te einen Diener halten, die Geschenke und Liebesbriefe abzuweisen, und alle Augenblick mein Gesinde abschaffen, weil es bestochen war, mich zu verf�hren. Zwei Diener in der Apotheke meines Mannes vergifteten einander, weil ein jeder von ihnen entdeckt hatte, da� der andere ein Edelmann sei, der aus Leidenschaft zu mir unter fremdem Namen in unsre Dienste gegangen war. Alle Leute, die in unsrer Offizin Arznei holten, waren dadurch schon im Verdacht, liebeskrank zu sein. Ich hatte von allem diesem nichts als Unruhe und Elend, und nur die Freude meines Mannes an meiner Gestalt hielt mich ab, mich an meiner Larve zu vergreifen und mich auf irgendeine Weise zu entstellen. Oft fragte ich ihn, ob er denn an meinem Herzen und guten Willen nicht genug habe; er m�chte mir doch erlauben, mein Gesicht, das so vieles Unheil stifte, durch irgendein beizendes Mittel zu verderben. Aber er erwiderte mir immer: �Sch�ne Amelie! Ich w�rde verzweifeln, wenn ich dich nicht mehr ansehen k�nnte; ich w�rde der ungl�cklichste Mensch sein, wenn ich den ganzen Tag in meinem ru�igen Laboratorium vergebens geschwitzt habe und meine Augen abends nicht mehr an deinem Anblick erquicken k�nnte. Du bist der einzige klare Punkt in meiner finstern Bestimmung, und wenn ich alle meine Hoffnung habe nach schwerem Tagewer...
wawa74