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Wasserkraft
Das Kraftwerk Wolfsgrubermühle in Fürth ging im Jahr 1911 in Betrieb. Vor drei Jahren wurde das Gebäude
innen wie außen vollständig saniert. Nun wurde auch die Elektrotechnik auf den neuesten Stand gebracht.
GELUNGENER ZEITSPRUNG IN DIE COMPUTER-ÄRA
Stück für Stück hatten die Betreiber das Traditionskraftwerk Wolfsgrubermühle im Herzen der Stadt Fürth in den vergange-
nen Jahren restauriert und wieder in Schuss gebracht. Für die erfahrenen Wasserkraftbetreiber aus dem Hause Grimmer aus
dem bayerischen Hohenkammer schon so etwas wie eine Herzensangelegenheit. Was der Anlage am Ende noch auf den
Letztstand der heutigen Wasserkrafttechnik fehlte, war eine moderne elektrotechnische Ausrüstung. Zu diesem Zweck beauf-
tragte Thomas Grimmer die Spezialisten von Turbinenbau Troyer aus Sterzing. Und die beförderten das altehrwürdige
Kraftwerk ins digitale Zeitalter - und das in weniger als zwei Wochen.
V
om einstigen Glanz, der die Wolfs-gru-
bermühle vor vielen Jahrzehnten
umgeben hatte, war vor zwanzig
Jahren nicht mehr viel übrig. „Als wir die
Anlage 1990 erwarben, war uns sofort klar,
dass viel Arbeit vor uns lag. Das Kraftwerk
starrte vor Schmutz, und die technische
Ausrüstung ließ zu wünschen übrig“, erzählt
Dipl.-Ing. Thomas Grimmer, selbst Planungs-
ingenieur für Wasserkraftwerke. Dabei gehör-
te die Wolfsgrubermühle einst zu den techni-
schen Perlen an der Pegnitz. Ihre historischen
Wurzeln sind bis ins 14. Jahrhundert zurück-
zuverfolgen.
Im Jahr 1911 erfolgte die erste Zäsur: Die
Wasserräder mussten modernen Turbinen
weichen, die für die nötige Energie der
„Kunstmühle“ sorgten. Das Mühlengebäude
- ein eindrucksvoller Fachwerkbau auf einer
Grundfläche von mehr als 1 Hektar - wurde
ebenfalls zu dieser Zeit errichtet. Aufgrund
der besonderen Architektur galt es bis in die
heutige Zeit als prägender Bestandteil des
Fürther Stadtbildes. Doch der wurde in der
Endphase des Zweiten Weltkrieges arg ram-
poniert. Grimmer: „Im Gegensatz zu vielen
anderen deutschen Städten wurde Fürth ja
von groß angelegten Bombenteppichen ver-
schont. Ein paar sind aber doch auf die Stadt
niedergegangen - und eine davon ist in die
Wolfsgrubermühle gekracht.“ Nach dem
Krieg wurde sie wieder aufgebaut, nun aller-
dings als Backsteingebäude.
hen. Eine wurde Anfang der 1980er Jahren
gegen eine modernere Drees-Turbine ausge-
tauscht. Diese ist bei einer Fallhöhe von 3,1m
auf einen Nenndurchfluss von 10,5 m 3 /s aus-
gelegt. Über ein Winkelgetriebe, das die
Maschinendrehzahl von 70 auf 760 übersetzt,
treibt sie einen Asynchrongenerator an. Sie ist
bis zum heutigen Tag im Einsatz - wenn auch
mit kleineren Adaptionen. Im Einzelbetrieb
erreicht sie rund 260 kW Leistung. „Eine der
beiden Turbinen war zur Zeit unserer Über-
nahme noch original. Sie hat über ein Kamm-
rad und einen Flachriemen und eine lange
Welle ihre Energie an die Mühle übertragen.
Wir haben beschlossen, hier eine Francis-
Schacht-Turbine einzubauen. Den Umbau
haben damals mein Vater und mein Groß-
vater abgewickelt“, sagt Thomas Grimmer.
Die Turbine ist auf einen Nenndurchfluss von
QUALITÄT - NICHT BAUJAHR ZÄHLT
Ursprünglich waren zwei identische französi-
sche Schneider-Schaquet-Turbinen installiert,
die über viele Jahrzehnte ihren Dienst versa-
Die alte Schneider-Schaquet-Turbine (mi) trieb ursprünglich über ein Kammradgetriebe (li) und weiter über einen Riemenantrieb (re) die Mühle an. Der Umbau erfolgte 1992.
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Wasserkraft
Weniger als zwei Wochen brauchte das Team von Turbinenbau Troyer,
um das Kraftwerk elektrotechnisch auf Vordermann zu bringen.
Die beiden unterschiedlich großen Maschinensätze: Beide sind mit einer
Luftkühlung versehen, die Frischluft von der Wasseroberfläche nutzt.
7,5 m 3 /s ausgelegt und schafft eine Leistung
von rund 180 kW. Dabei setzten die
Wasserkraftspezialisten aus Oberbayern auf
altbewährte Turbinentechnologie. „Mein
Vater hat hier eine Voith-Turbine eingebaut,
die zuvor in einem Kraftwerk am Auslauf des
Chiemsees gelaufen war. Baujahr 1937“.
Doch für die Grimmers steht eines fest: Was
zählt ist Qualität - und nicht Alter. Die über
70-jährige Turbine läuft ruhig und verlässlich.
Vor zwei Jahren wurde ein neuer Asyn-chron-
generator ans Getriebe gekuppelt.
verschafft den Maschinen Frischluft von der
Wasseroberfläche. Über ein Lüftungsrohr
wird die kühle Luft angesaugt und über
Getriebe und Generator geführt. Thomas
Grimmer: „Der Effekt war erstaunlich. Wir
haben damit den Raum im Sommer um 10
Grad tiefer gekühlt als dies vorher der Fall
war. Dadurch wurden auch der sonst häufig
massiv angefallene Pollen und die Insekten
reduziert. Es ist also auch sauberer gewor-
den.“
Aber auch außerhalb des Krafthauses sorgten
die Grimmers nach und nach für Moder-
nisierungsschübe. Unter anderem wurde vor
einigen Jahren eine kompakte Rechenreini-
gungsanlage am Zufluss für Maschine II rea-
lisiert. Und damit das Traditionskraftwerk
auch den neuesten ökologischen Ansprüchen
genügt, wurde eine Organismenwanderhilfe
in Form eines naturnahen Gerinnes über eine
Länge von rund 350 Meter angelegt.
werk geworden. Die Betreiber konnten zu
Recht stolz auf ihre Anlage sein, in der viele
hunderte von Arbeitsstunden stecken. Und
dennoch - auf den heutigen Stand der
Wasserkrafttechnik fehlte noch etwas: eine
moderne Automations- und Steuerungstech-
nik. „Alleine aus sicherheitstechnischen und
versicherungsrechtlichen Dingen war uns
eine neue elektrotechnische Ausrüstung
wichtig. Wir haben den Auftrag an
Turbinenbau Troyer aus Sterzing vergeben.
Und das war ein Glücksgriff“, erzählt
Thomas Grimmer.
Im Herbst letzten Jahres rückte das Team von
Turbinenbau Troyer in der mittelfränkischen
Metropole an. Die Aufgabe, die vor den
Südtirolern lag, war durchaus aufwändig.
Grimmer: „Es wurde e-technisch wirklich
alles bis ins kleinste Detail erneuert.
Sämtliche alten Kabel wurden rausgerissen
und durch neue ersetzt. Von der Pegel- mes-
sung über die Schützensteuerung und die
Rechenreinigungsanlage, den Netzschutz bis
hin zur Fernüberwachung wurde alles neu
gemacht. Eine neue Generatorschaltanlage
für die beiden Asynchrongeneratoren wurde
AUSGEKLÜGELTES KÜHLSYSTEM
Den Umbauarbeiten an der Maschine II folg-
ten umfangreiche Restaurierungsarbeiten am
Krafthaus. Im Teamwork schafften Thomas
Grimmer mit Vater Siegfried und Großvater
Siegfried sen. eine helle, saubere, freundliche
Maschinenhalle. Um den Geräuschpegel wei-
ter abzusenken, wurde eine Holzdecke einge-
zogen und einiges an Optimierungen an den
Maschinen und den Nebenbetrieben durch-
geführt. Auffällig ist etwa das Kühlsystem für
beide Generatoren. Dafür hat sich Siegfried
Grimmer etwas Spezielles einfallen lassen: Er
NEUE E-TECHNIK VON A BIS Z
Aus dem Sanierungsfall war nach all den
erfolgten Arbeiten ein schmuckes und
zugleich leistungsfähiges Kleinwasserkraft-
Technische Daten
Fallhöhe: 3,10 Meter
Gesamt-Ausbaudurchfluss: 18 m 3 /s
Maschine 1:
Drees-Francisturbine + Loher-Asynchrongener.
Ausbau-Durchfluss: 10,5 m 3 /s
Drehzahl: 70 rpm
Winkelgetriebe: 70 rpm auf 760 rpm
Leistung: 260 kW
Maschine 2:
Voith Francisturbine + ABB Asynchrongenerator
Ausbau-Durchfluss: 7,5 m 3 /s
Drehzahl: 70 rpm
Winkelgetriebe: 70 rpm auf 760 rpm
Leistung: 180 kW
Gesamt - Enpassleistung: 390 kW
Regelarbeitsvermögen: ca. 2,4 GWh
Heute können Vater Siegfried und sein Sohn Thomas Grimmer jederzeit auf
sämtliche Kraftwerksdaten zurückgreifen. Selbstverständlich kann die Anlage
auch komplett über das Touch-Panel am Schaltschrank gesteuert werden.
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Bei der größeren Maschine handelt es sich um eine Drees-
Turbine. Sie ist auf 260 kW im Einzelbetrieb ausgelegt.
Die kleinere Voith-Turbine (Francis-Schacht) regelt dazu.
Sie kommt alleine auf rund 180 kW Leistung.
An Maschine II wurde eine automatische, hydraulische
Bremse für eine optimierte Regelbarkeit angebaut.
installiert und ein modernes Alarmsystem
eingebaut. Heute bekommen wir automati-
sche Benachrichtigungen aufs Handy
geschickt und können via Fernüberwachung
jeden einzelnen Parameter, von der Drehzahl
angefangen übers Getriebeöl bis zu sämtli-
chen Temperaturen und natürlich die
Kamera-Live-Bilder, in Echtzeit abfragen.“
je nach Wasserdargebot dazu. Durch die
Maßnahmen wurde dieser Regelbetrieb ver-
bessert. Es war zwar früher auch schon eine
Automatisierung für den Betrieb der zweiten
Maschine eingebaut, aber die erfolgte eben
über die Schütze und die Relaistechnik.
Heute ist das alles über eine zentrale Rechen-
einheit gesteuert, die Automation folgt einer
Funktionskurve, die dem Wirkungsgrad-
optimum angenähert ist. Jetzt ist wirklich
alles aufeinander abgestimmt. Die Anlage ist
heute aus einem Guss.“
Und sollte ein Stromausfall einmal die
Maschinen lahmlegen, wurde ein duales Bat-
terie-Notsystem sowohl für das Touch-Panel
an der Schaltanlage als auch für den Rechner
installiert. In diesem Fall bleiben also noch
immer die Steuerung und die Kraftwerks-
(Fern)überwachung aufrecht.
beiten. Und das hat bei den Sterzingern her-
vorragend geklappt, sowohl was die professio-
nelle als auch was die menschliche Ebene
angeht. Das Resultat hat uns voll überzeugt.
Wir hatten seit der Inbetriebnahme nicht
eine einzige Störungsmeldung.“
Auch erfreulich für die Betreiber, dass das
Kraftwerk für den Umbau nur kurze Zeit
stillstehen musste. In weniger als zwei
Wochen war die Anlage wieder am Netz.
„Natürlich gab es für Konzeption und
Planung eine Vorlaufzeit, die sich ungefähr
über drei Monate erstreckte. Da konnte in
aller Ruhe, ohne Hektik, der Umbau durch-
dacht und geplant werden. Und die
Umsetzung lief dann reibungslos und umso
flotter ab“, resümiert der Betreiber.
ALLES AUFEINANDER ABGESTIMMT
Zentraler Bestandteil dieses Auftrags war
natürlich die neue SPS-gestützte Steuerung
der beiden Maschinensätze - und ein kleines,
aber feines Detail für eine optimale Regelung
der kleineren Maschine. „Wir wollten eine
hydraulisch angetriebene Bremse für unsere
Maschine II, die den Regelbetrieb erleichtern
sollte. Sie wurde so eingestellt, dass sie ab
einer gewissen Drehzahl mechanisch eingreift
und die Maschine sanft stoppt. Das schont
natürlich auch das Lager. Zudem haben die
Männer von Turbinenbau Troyer eine Art
‚Softstarter' für diese Maschine integriert.
Der ermöglicht ein ganz sanftes Zuschalten
der Maschine aufs Netz, was ansonsten bei
Asynchrongeneratoren ja nicht so üblich ist.
Eine Synchronisierung erfolgt. sobald die
Frequenz angeglichen ist“, erklärt Thomas
Grimmer und führt den eigentlichen
Hintergrund dieser Maßnahme weiter aus:
„Die große Maschine läuft so gut wie das
ganze Jahr hindurch - und die kleine regelt
SPRUNG INS COMPUTERZEITALTER
Noch kann nicht genau prognostiziert wer-
den, um wie viel Strom die Anlage mit einem
bisherigen Jahresertrag von 2,4 Mio. kWh
durch die neue E-Technik mehr produzieren
wird. Fest steht, dass sowohl die Sicherheit,
der Bedienkomfort und natürlich die
Effizienz der Anlage gesteigert wurden. Im
Inneren des schön renovierten Altbaus steckt
heute modernste Wasserkraft-Technologie.
Das Traditionskraftwerk Wolfsgrubermühle
hat den Sprung ins Computerzeitalter
geschafft - und öffnet ein neues Kapitel in sei-
ner wechselvollen Geschichte.
STERZINGER DEMONSTRIEREN TEAMGEIST
Nachdem das E-Technik-Team von Tur-
binenbau Troyer sämtliche alten Kabeln her-
ausgerissen hatte, habe die Anlage schon
„ziemlich wild“ ausgesehen, erzählt Siegfried
Grimmer, der den Südtirolern gerne ein
wenig auf die Finger sah: „Aber die haben den
Überblick behalten und wirklich mustergül-
tig installiert. Sogar unsere Betriebselektriker
waren positiv überrascht. Und was dabei
natürlich entscheidend ist: dass E-Instal-
lateur und Programmierer gut zusammenar-
Am Einlauf der kleinere Turbine wurde eine neue, dop-
pelt ausfahrbare Teleskop-RRM von SFL installiert.
Heute ist das Kraftwerk für die Bewohner der Pegnitz
umgehbar geworden: Der neue 350 m lange Fischpass.
Nicht nur von außen ist das Kraftwerk Wolfsgrubermühle
heute wieder eine Vorzeige-Wasserkraftanlage.
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