Brian W. Aldiss - Helliconia - Fruehling.pdf

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Helliconia: Frühling
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Helliconia- Frühling
Inhalt
Einleitung YULI
Embruddock
I
Tod eines Großvaters .
II
Die Vergangenheit, die wie ein Traum war
IV
Günstige Temperaturgradienten
V
Doppelter Sonnenuntergang
VI
»Als ich ganz benebelt war ...«
VII
Ein kaltes Willkommen für Phagoren
VIII
In Obsidian
IX
Mit und ohne Hoxnerfell
X
Laintal Ays Leistung
XI
Als Shay Tal ging
XII
Herr der Insel
XIII
Herr des Geldes
XIV
Durch das Nadelöhr
XV
Brandgeruch
III
Ein Sprung vomTurm
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Warum sind so viele heroische Taten immer wieder
in Vergessenheit geraten und fanden keinen Schrein
in überdauernden Monumenten des Ruhmes? Die
Antwort ist, so glaube ich, daß diese Welt neu
gemacht ist; ihr Ursprung ist ein jüngst vergangenes
Ereignis, nicht eines aus ferner Vorzeit.
Dies erklärt, warum manche Künste noch jetzt ver-
vollkommnet werden: der Prozeß der Entwicklung
dauert noch an. Ja, und es ist nicht lange her, seit die
Wahrheit über die Natur zuerst entdeckt wurde, und
ich selbst bin noch heute der erste, der sich fand,
diese Erkenntnis in meine Muttersprache zu fassen ...
Lukrez: De rerum natura
55 v. Chr.
EINLEITUNG
YULI
Wie Yuli, Sohn des Alehaw, zu einem Ort namens Oldorando kam,
wo seine Nachfahren in besseren zukünftigen Zeiten leben und wir-
ken sollten.
Yuli war neun Jahre alt, fast ein Erwachsener, als er neben seinem
Vater in einem aus Häuten genähten Zelt kauerte und über die Wild-
nis eines Landes hinblickte, das schon damals als Campannlat
bekannt war. Vom Ellbogen des Vaters aus seinem leichten Schlum-
mer wachgestoßen, hörte er seine rauhe Stimme sagen: »Der Sturm
läßt nach.«
Der Sturm blies seit drei Tagen aus dem Westen und führte Schnee
und Eispartikel von der Barriere mit. Wie eine gewaltige Stimme,
der kein Mensch standhalten konnte, füllte er die Welt mit heulender
Energie und verwandelte sie in grauweiße Dunkelheit. Die Felslei-
ste, auf der sie biwakierten, bot wenig Schutz vor dem schlimmsten
Toben des Schneesturmes; Vater und Sohn konnten nichts tun als in
der Enge unter den Häuten liegen, schlafen und von Zeit zu Zeit an
einem Stück Räucherfisch kauen, während das Unwetter über ihren
Köpfen brauste.
Mit dem Nachlassen des Windes lockerten die Wolken auf, und
der Schnee kam in Schauern, die als weiße Wolken über die öde
Landschaft hinzogen. Obgleich Freyr hoch am Himmel stand – denn
die Jäger befanden sich in den tropischen Breiten –, schien er wie
gefroren dort zu hängen. Das Licht schimmerte in golden wallenden
Bändern, deren Säume bisweilen den Boden zu berühren schienen,
um sich zurückzuziehen, bis sie im bleiernen Zenit verschwanden.
Trotz des prächtigen Schauspiels verbreitete das Licht wenig Hellig-
keit und keine Wärme.
Vater und Sohn erhoben sich, reckten sich, stampften mit den
Füßen und schlugen sich die Arme um die tonnenförmigen Oberkör-
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per. Keiner der beiden sprach. Es gab nichts zu sagen. Der Sturm
war vorüber. Dennoch mußten sie warten. Bald, das wußten sie, wür-
den die Yelke hier sein. Sie brauchten ihre Wache nun nicht viel
länger aufrechtzuerhalten.
Obwohl das Gelände uneben und zerrissen war, zeigte es unter der
Decke aus Eis und Schnee kaum auffällige Merkmale. Nur im Nor-
den, wo eine Wolkenbank vor dem Bergland hing und gleich einem
übermäßig gedehnten Arm auf die See herabhing, gab es kahle, dun-
kelgraue Felsabsätze. Hinter den beiden Männern lag höheres
Hügelland, gleichfalls bedeckt mit eintönigem Weiß. Die Blicke der
beiden gingen jedoch immer wieder nach Osten. Nach einer Weile
des Herumstampfens und Mit-den-Armen-Schlagens, als sie die Luft
mit dem nebligen Dampf ihres Atems angefüllt hatten, krochen sie
wieder unter die Häute, um zu warten.
Alehaw legte sich auf den Bauch, einen pelzumhüllten Ellbogen
auf den Felsboden gestützt, stemmte den Daumen in die Höhlung der
Wange unter dem Jochbein und stützte so den Kopf, während er die
Augen mit vier behandschuhten Fingern beschirmte.
Sein Sohn wartete mit weniger Geduld. Er wand und regte sich
unruhig in seinen zusammengenähten Fellen. Weder er noch sein
Vater waren für diese Art von Jagd geboren. Ihr Leben und das ihrer
Vorväter war die Bärenjagd in den unwegsamen Hochländern ent-
lang der Eisbarriere gewesen. Aber eine durchdringende, aus den
hohen Sturmscharten der Barrieren fegende Kälte, begleitet von
immer häufigeren Schneestürmen, hatte sie zusammen mit der kran-
ken Onesa herunter in die Ebenen getrieben, wo milderes Wetter
herrschte. So war Yuli unruhig und aufgeregt.
Seine leidende Mutter und seine Schwester waren mit der Familie
seiner Mutter einige Meilen entfernt; die Onkel hatten sich mit dem
Schlitten und ihren Speeren aus Knochen und Elfenbein hoffnungs-
voll zur Küste aufgemacht, um ihr Glück auf der zugefrorenen See
zu versuchen. Yuli überlegte, wie es ihnen in dem tagelangen Sturm
ergangen sein könnte, und ob sie zu dieser Stunde fröhlich schmau-
sten und Fisch und Brocken von Seehundfleisch im Bronzekessel
seiner Mutter kochten. Er träumte vom Fleischgeschmack im Mund,
wie die rauhen Fasern sich vor dem Hinunterschlucken mit Speichel
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