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Kommission „Anwalt des Kindes“
Empfehlung 18
Was ist guter Unterricht?
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Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung
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Inhalt
Empfehlung 18
Was ist guter Unterricht?
Seite
1. Wer bestimmt die Maßstäbe für guten Unterricht?
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2. Was sind die Intentionen von gutem Unterricht?
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3. Welche Methoden fördern guten Unterricht?
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4. Was kennzeichnet eine gute Unterrichtsatmosphäre?
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5. Welche Bedingungen sind für einen guten Unterricht hilfreich? 16
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Empfehlung 18
Was ist guter Unterricht?
Die Diskussionen zum Thema Schule beschränken sich gegenwärtig nur all-
zu häufig auf Organisationsformen oder fiskalische Überlegungen.
Die zentralen pädagogischen Fragen und nicht zuletzt die des Unterrichts
selbst werden dagegen oft mit Deklamationen zum Schulleben, mit generali-
sierenden Feststellungen zur unterrichtlichen Alltagsarbeit oder mit allerlei
Modernismen beantwortet. Hier wird auf die Faszination des Neuen als Wert
an sich spekuliert, ohne hinreichende Überprüfung, ob es taugt, ob es gar
Rückschritt, längst überholt ist und welcher Stellenwert ihm zukommt.
Dabei wird guter Unterricht bereits gleichgesetzt mit „Freude und Spaß“ im
Unterricht, mit „Action“, mit „entschiedener Parteinahme für das Kind“, mit
Individualisierung und Differenzierung oder mit Abkehr von der „Schmuse-
pädagogik“, und von „pädagogischem Schnickschnack“, mit „voller Lehrplan-
erfüllung“, mit nachdrücklichem Computereinsatz, mit Disziplin in der Klasse,
mit „fahrplanmäßigem Funktionieren“ usw.
Ebenso bei seriösen wie bei unseriösen Forderungen, Angeboten, Methoden,
Akzentuierungen fällt die Einseitigkeit der Standpunkte und Vorschläge auf,
die Globalisierung eines mehr oder minder bedeutenden Moments.
Will man nicht kurzschlüssig jedem Pendelschlag folgen, bedarf es der Besin-
nung auf das, was einen guten Unterricht ausmacht, auf die Kriterien, an
denen neue ebenso wie traditionelle Angebote zu messen sind.
1. Wer bestimmt die Maßstäbe für guten Unterricht?
Wer sind nun eigentlich die Beurteiler von Unterricht, und wer von ihnen
verfügt über die erforderliche Kompetenz?
Da melden sich zunächst die Praktiker zu Wort, die Lehrerinnen und Lehrer,
die etwa den Umfang an Schüleraktivitäten
– oder die Ruhe und Geordnetheit des Unterrichts als Richtschnur der
Beurteilung anlegen.
Da ist die Schulaufsicht, die nach reformpädagogischem Gesichtspunkt
beurteilt
– oder formale Lehrplanerfüllung des Unterrichts als entscheidendes Krite-
rium ansieht.
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Da erklären Schülerinnen und Schüler einen Unterricht dann für gut, wenn er
unterhaltsam ist und anstrengungslos verläuft
– oder aber gerade dann, wenn er etwas abverlangt, wenn man danach „rich-
tig geschafft“ ist.
Da sind Eltern Beurteiler des Unterrichts ihrer Kinder – etwa mit der Leistungs-
orientierung im Hinblick auf spätere Studien- oder Berufschancen
– oder mit menschlicher Zuwendung zum Kinde als zentralem Kriterium.
Da machen sich auch Ärzte, Psychologen, pädagogische Berufsverbände
oder andere gesellschaftliche Gruppen stark, indem sie bestimmte Themen
oder Methoden zu zentralen Merkmalen „guten Unterrichts“ erklären.
Von welcher Seite auch Stellung zum Unterricht in der Schule genommen
wird: der angelegte Maßstab wird im Allgemeinen diskussionslos als richtig,
einleuchtend, selbstverständlich angesehen, so nachdrücklich dem nicht sel-
ten auch von anderer Seite widersprochen wird.
Angesichts der angedeuteten Positionsvielfalt wäre es töricht, danach zu fahn-
den, wem nun denn die eigentliche Kompetenz der Beurteilung, was „guter
Unterricht“ sei, zuzusprechen wäre. Jeder Beurteiler hat – von seinem Stand-
punkt, von seiner Interessenlage aus gesehen – mehr oder minder recht,
sodass es zwischen den verschiedenen Positionen abzuwägen gilt.
Die Kommission will daher den verschiedenen Standpunkten nicht einfach
einen weiteren hinzufügen, sondern stattdessen Kriterien für solch ein Abwä-
gen ermitteln und mit Argumenten absichern, damit bloße Meinungen, Stand-
punkte und Betrachtungen nur einer Perspektive durch Sichtweisen abgelöst
werden, die verschiedene wichtige Gegebenheiten berücksichtigen.
Die Grundüberlegung hierbei muss der Frage gelten, welchen Intentionen der
Unterricht dienen soll. Denn erst wenn dies hinreichend geklärt ist, lässt sich
ein Unterricht als gut oder weniger gut qualifizieren.
2. Was sind die Intentionen von gutem Unterricht?
„Ich weiß, ich halte einen exzellenten Unterricht! Sie brauchen gar nichts zu
sagen“, so äußert sich ein Lehrer nach einem Unterrichtsbesuch des Schul-
leiters, der etwas verwundert und hilflos aufblickt. Denn in der Tat, der Lehrer
war gut in Form, hatte im Unterricht brillante Formulierungen parat; an der
Tafel stand ein klar gegliedertes Tafelbild. Die Vorführung des Lehrers war
perfekt. Nur die Schüler hatten nichts gesagt – nichts! Nur mitgeschrieben!
Und einige hatten mit großen Augen verständnislos-fasziniert an den Lippen
des Lehrers gehangen.
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War das wirklich ein exzellenter Unterricht, wie ihn die Schülerinnen und
Schüler brauchten? Entsprach die Stunde nicht viel eher dem Bedürfnis nach
Selbstdarstellung des Lehrers?
Unterricht sollte nicht in erster Linie dem Befinden des Lehrers/der Lehrerin
dienen, bloße Betriebsamkeit oder formale Erfüllung eines Planes intendie-
ren, sondern einen Gewinn für die Schülerinnen und Schüler – verstanden als
Entwicklung ihrer Erlebens- und Verhaltensdisposition – erbringen, da Schule
und Unterricht um ihretwillen veranstaltet werden.
Der Gewinn, um den es also geht, hängt zum einen
– von der Bedeutung der Unterrichtsinhalte und Ziele für die Schülerinnen
und Schüler ab und zum anderen
– von der Art der Unterrichtsgestaltung, der Methode, sodann
– von der Unterrichtsatmosphäre und schließlich
– von den Unterrichtsbedingungen.
Wenn auch eine Festlegung der Unterrichtsinhalte und -ziele durch die
Lehrpläne erfolgt, bedarf es doch zur konkreten Durchführung der Auswahl,
der Akzentuierung und der Ergänzung in verantwortlichen Entscheidungs-
prozessen der Lehrkräfte.
Inhaltliche Aspekte
Der Unterrichtsgewinn für die Schülerinnen und Schüler hängt nun aus päd-
agogischen, psychologischen und gesellschaftlichen Gründen in starkem
Maße davon ab, inwieweit – neben dem Erfahrungs- und Interessenbereich
der Schülerinnen und Schüler – folgende zentralen Fragen beachtet werden:
– Welches Wissen über die Vergangenheit ist zum Verständnis der Gegen-
wart und zum Dialog der Generationen wichtig?
– Was ist vordringlich für das Verstehen und Bewältigen gegenwärtiger
Fragen und Aufgaben und für die Persönlichkeitsentwicklung?
– Was ist notwendig zur Lösung grundlegender zukünftiger Aufgaben in
privaten und öffentlichen Lebenswelten?
– Was erfordert die Fachsystematik, die Sachlogik der betreffenden Unter-
richtsbereiche bezüglich Rang- und Reihenfolge der inhaltlichen Entschei-
dungen?
– Was ist unter den gegebenen räumlichen, zeitlichen, personellen und säch-
lichen Bedingungen realisierbar?
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